Einen millionenfach am Smartphone-Newsfeed aufleuchtenden, ikonischen Höhepunkt unserer empörungsgetriebenen Krisen- und Kriegszeit – das erkannte zu Beginn des Jahres 2021 so manche Kommentatorin und so mancher Zeitdiagnostiker in der grotesken Performance eines halbnackten, Gehörn tragenden und sich Jake Angeli nennenden Verschwörungstheoretikers. Dieser Mann personifiziert wie kein anderer die von rechtsextremen Lügenfabriken befeuerte „Erstürmung“ des US-Kapitols – und degradierte sie gleichzeitig zur pseudorevolutionären Farce. In einer solchen Krisenepoche leben wir heute, inmitten einer kaum enden wollenden Serie an politischen, pandemischen, epistemologischen und militärischen Krisen. In unserer Sparte Diskurs & Zeitanalyse im KULTUM ist daher vieles zu erfassen, zu diskutieren, zu verdauen. Wir versuchen uns an einer Zeitanalyse, die spannende Impulse aus dem Feuilleton, der wissenschaftlichen Debatte und dem gesellschaftspolitischen Diskurs aufgreift, be- und durchleuchtet, ihnen einen neuen „Twist“ gibt. Einer Zeitanalyse, die dem gepflegten Streit, der Ambivalenz, ebenso wie der Lust am Text, der Textur des Sozialen, Luft zum Atmen gibt. Eine Zeitanalyse, die nicht um eigene geistige Bedürfnisse kreist, sondern sich den brennenden Fragen unserer Welt stellt. Eine Zeitanalyse, die neugierig auf die Vitalität und Kreativität der Populärkultur blickt und die Schnittstellen mit den anderen Erzählungen, Perspektiven und Performanzen im KULTUM sucht: Literatur, Kunst, Film. Doch Krise hin oder her, es braucht mehr Pop!
Florian Traussnig, Kurator Diskurs und Zeitanalyse
Die sich heute in hoch ausdifferenzierten Streamingdiensten, interaktiven Apps, Videogames, Social-Media-Kanälen und – fast könnte man es vergessen – im „klassischen“ Pop (= expressive, breitentaugliche Musik) und wohl auch in ein paar Büchern manifestierende Populärkultur besitzt nicht nur Unterhaltungswert, sondern sagt viel über unsere (Krisen-)Gesellschaft als Ganzes aus. Was hat es mit den vielen Zombieserien und Dystopien auf sich? Was kann man aus dem „Dark Academia“-Trend rund um schwärmerisch-melancholische Selfies vor altehrwürdiger Universitätskulisse auf Instagram herauslesen? Warum wirken ukrainische Kriegs(propaganda)-Memes – zumindest aus westlicher Sicht – so kreativ? Stehen wir angesichts der intensiven Nutzung hochgradig bildlastiger („graphics“) und ästhetisierender Apps und Medien – man denke an die mitunter brüllend kreativen TikTok-Filmchen oder an den Spoken-Word-Diskurs, der jetzt stark das Ökologische aufgreift – gar vor einer kreativen (Jugend-)Revolution?
Was hat die Literatur zur turbulenten „Atmosphäre unserer Zeit“ zu sagen? Im dritten Teil der Reihe SEISMOGRAPHICS sprechen wir über zwei jüngere Bücher zur (Klima-)Krise, die über die verhärteten gesellschaftspolitischen Debatten hinaus einen literarischen auf unsere umkämpfte Gegenwart werfen - ein Blick zwischen Verzweiflung, Humor und Alltagspoesie. Details zur Veranstaltung
Wie klingt der „Stream der Zeit“, den etwa die Indie-Pop-Band Yukno besingt? Der Theologe und bekennende Pop-Aficionado Martin Dürnberger tauchte im zweiten Teil der Reihe SEISMOGRAPHICS in die Theorie der Populärkultur ein und sprach über die existenziellen und zeitanalytischen Impulse, die etwa von deutschsprachigen Rap- oder Popsongs ausgehen. Er beackerte dabei ein oft kritisiertes, aber vitales Diskursfeld. Details zur Veranstaltung
Das Bedürfnis nach Katastrophenstreifen, Zombie- und Weltuntergangsserien sowie zeitanalytischen Songtexten scheint seit einigen Jahren besonders groß zu sein. Die Macherinnen und Macher von populärkulturellen Formaten wie etwa US-Weltuntergangsblockbustern scheinen „einen beeindruckenden Instinkt für das, was in der Luft liegt“ zu besitzen (K. Nicodemus). Diese popkulturelle „Ankündigung“ der Zukunft bzw. diese Thematisierung der Krisenkaskade namens Gegenwart stand beim Start unserer neuen Diskursreihe SEISMOGRAPHICS im Mittelpunkt, die wir mit dem Amerikanisten Stefan Rabitsch und der Studentin Julia Baier eröffnet haben: Wie prophetisch ist die Populärkultur?
Wie auch immer unsere postcoronale, aber wohl weiterhin mit Krisen konfrontierte Gesellschaft aussehen wird: Sie sich geistig und schöpferisch neu sortieren müssen. Die Frage nach neuen gesellschaftlichen und politischen Würfen, nach Utopien, Visionen, kurzum: nach großen Aufbruchserzählungen, nach fresh stories, steht elefantenhaft im Raum. Aber auch der Blick zurück lohnt: Liest man sich etwa in alte Texte über Plagen-, Konflikt und Krisenzeiten tiefer ein, so „reimt“ sich erstaunlich viel, so finden sich erstaunlich viele erhellende Analogien, lassen sich anthropologische Kontinuitäten ausmachen, die für unsere aktuelle soziologische und politische Verfasstheit von hoher Relevanz sind: So nährten etwa Katastrophen nicht nur die diffusen Ängste der Menschen, sondern befeuerten das (religions-)kritische Denken, stärkten das Nachdenken über eine andere Zukunft, legten oft auch die Grundlagen für neue Formen des Arbeitens und Lebens. Chaos gebiert oft Neues! In diesem Sinne öffnen die teils dramatischen Umbrüche, die ökologisch-gesundheitliche Großkrise, die Digitalisierung sowie die epistemologischen Medien- und Politik-„Troubles“ unserer heutigen Zeit ähnliche Möglichkeitsräume. Welche narrativen Bausteine, welche politischen und philosophischen Konzepte, welche spannenden Dialektiken tun sich auf, wenn man alte und neue (Krisen-)Texte und Gedanken zusammenbringt und darüber diskutiert?
In der Reihe Neu gelesen. Neu erzählt. Neu gemischt. werden wir anlässlich eines je speziellen Mottos bzw. Themenbereichs einen Blick in den geistesgeschichtlichen Rückspiegel werfen und dazu je eine fachkundige Stimme einladen, die alte Texte vor dem Hintergrund der Gegenwart und Zukunft neu liest und zur Diskussion stellt.
Die Sorge um das eigene Seelenheil in einer gefallenen Welt bringt den Protagonisten und „seltsamen Vaganten“ in Grimmelshausens Simplicissimus zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs dazu, ihr als Einsiedler zu entfliehen. Brauchen wir auch heute bestimmte Formen der Weltflucht, um die Hiobsbotschaften der Moderne auszuhalten? Welche Rolle spielen Medien in der Vermittlung apokalyptischer Weltbilder? Mit dem Journalisten Martin Haidinger ging Moderator Daniel Pachner im Rahmen unserer Diskursreihe NEU GELESEN. NEU ERZÄHLT. NEU GEMISCHT. solchen Fragen nach. Die differenzierenten, auch lebensbejahenden Antworten Haidingers („Solange der Mensch ein strebendes Wesen ist, kann die Welt nicht ganz schlecht sein“) im Rahmen der Relecture dieses aufgrund des Ukraine-Kriegs gerade ziemlich aktuellen Schelmenromans können im Veranstaltungsbericht nachgelesen werden.
Brauchen wir sie heute noch, die alten Mythen? Können uns antike Erzählungen und alte Texte über Plagen-, Konflikt- und Krisenzeiten noch etwas sagen? Können sie uns helfen, den Blick auf eine bessere Zukunft hin zu lenken? Oder können sie uns zumindest dazu anregen, unsere „Apokalypse-Blindheit“ (so Otto Friedrich mit Blick auf den Klimawandel in der Furche), abzulegen? Mit dem Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Hartmut Böhme sind wir im zweiten Teil der Diskursreihe NEU GELESEN. NEU ERZÄHLT. NEU GEMISCHT. diesen Fragen nachgegangen. Hier gehts zum Veranstaltungsbericht.
Vor dem Hintergrund einer antiken Schmähschrift über den "Lügenpropheten" und spirituellen Influcencer Alexander, der seinen Zeitgenossen allerlei (unwirksame) Zauber- und Heilmittel gegen die Pest verkauft hat, diskutieren die Journalistin Brigitte Quint (Die Furche) und der Theologe und Mediziner Walter Schaupp am 31. März im KULTUM über die heutige Relevanz dieses Texts sowie über dessen gesellschaftspolitische, ethische und moraltheologische Dimension.
In diesem Kurzvideokommentar reagiert Diskurskurator Florian Traussnig mit einem persönlichen Videokommentar situativ und subjektiv auf Zeitaktuelles und gerade Erlesenes, fallweise werden auch Gäste eingeladen.
Wie sehr sollen Wissenschaftler und Expertinnen in den Medien präsent sein? Sollen sie das überhaupt? Wo hört das redliche Sprechen über Forschungserkenntnisse auf, wo beginnt das "Parolen-Pressing" (Werner Krause)? Diesen Fragen stellt sich KULTUM-Diskurskurator Florian Traussnig im aktuellen AD HOC-Kurzvideo - und endet mit einem klaren Plädoyer. Mehr dazu im Clip!
Misst man den Erfolg der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar am dramatischen Ritual - also dem Fußballspiel in der Arena selbst - so muss dieses Unterfangen als Farce beurteilt werden ... meint KULTUM-Diskurskurator Florian Traussnig im aktuellen AD HOC-Kurzvideo. Gleichzeitig haben wir aus zentraleuropäischer Sicht keinen Grund für moralische Überheblichkeit. So haben etwa die Spieler und Fans aus dem Iran oder Saudi-Arabien mit ihrer wahrhaftigen Performance gezeigt, dass der arabische bzw. islamische Raum durchaus eine Fußball-WM verdient hat!
Putin ist nicht „der Russe“: KULTUM-Diskurskurator Florian Traussnig freut sich in der Kurzvideo-Reihe AD HOC über die "Solidarisierung in Blau-Gelb", plädiert aber auch dafür, das "andere" - humanistische - Russland nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist das Russland der „liebevollen Vernunft“ (Leo Tolstoi).
WARUM WIR MYTHEN BRAUCHEN
Mythen werden oft mit banalen „Unwahrheiten“ gleichgesetzt. In der neuen KULTUM-Videoreihe AD HOC widerspricht Diskurskurator und Historiker Florian Traussnig diesem Verständnis, greift dabei Peter Strasser Kritik an diesem „verlotterten Umgang mit dem Mythos“ auf und arbeitet die erstaunlich rationale und integrative Rolle heraus, die Mythen für uns und unser Gemeinwesen spielen.
Unsere konfliktbeladene Gegenwart ist keine Zeit des Elfenbeinturms. Bedächtiges Forschen und Bücherwälzen reichen nicht mehr - Denkerinnen und Forscher sind gefordert, sich ins gesellschaftliche Leben einzubringen, mitzumischen, ihre Arbeit zu erzählen, zu erklären. Und ja, viele tun dies auch. Wie entstehen die geistigen Prägungen dieser Menschen? Wie verzahnt sich ihre individuelle Lebenserfahrung mit Meinungs- und Theoriebildung? Was ist ihnen intellektuell im Weg, was öffnet ihnen ungeahnte Erkenntnisse? Mit kurzen „Biopics“ bzw. informativen Miniaturen wirft Diskurskurator Florian Traussnig analytische Schlaglichter auf gesellschaftspolitisch engagierte zeitgenössische oder historische Denkerinnen und Denker und verzahnt diese mit aktuellen Debatten und gesellschaftlichen Phänomenen.
Der ungarischen Philosophin Ágnes Heller ist diese Ausgabe der Kolumne SCHLAGLICHT gewidmet. Eine radikal liberale und furchtlose Denkerin, die sich „von Plato zu NATO“ den Kopf zerbrach, die mit allen und in allem das Gespräch suchte und die ihr Nachdenken über die Welt realistisch mit der Lebenspraxis in dieser Welt verband. Zum vollen Beitrag geht es hier.
Leben wir im Zeitalter des Killer Clowns? In diesem SCHLAGLICHT blickt Kurator Florian Traussnig nicht auf eine intellektuelle Biografie, sondern auf eine kulturelle Rolle, die politisch und gesellschaftlich in der jüngsten Zeit eine beunruhigende Rolle gespielt hat: den so genannten bösen Clown, auch Killer Clown genannt. Warum wir von solchen Gestalten umgeben, aber ihnen nicht heillos ausgeliefert sind, erfahren Sie in der neuen Kolumne!
Den Anfang macht die Historikerin und Journalistin Anne Applebaum, die sich als Teil einer weltanschaulich bunten "Koalition" dem Kampf gegen den Rechtspopulismus verschrieben hat.
Welches Buch wird gerade heiß diskutiert? Welche geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse sind gesellschaftsrelevant? Welche Person hat gerade Substanzielles zu sagen? Was bewegt die Menschen, was poppt gerade auf? In der Rubrik Aktuelle & andere Diskurse greifen wir auf, was außerhalb unserer laufenden Diskursreihe „sonst noch so“ in TV-Talk, im Feuilleton und in der gesellschaftlichen Debatte aufpoppt.
Wissenschaftshistoriker Simone De Angelis und Wissenschaftsvermittler Helmut Jungwirth loten beim Pfingst-Talk an der KHG Graz das delikate Verhältnis von Expertise und Macht aus. Details zur Veranstaltung
Hans Jörg-Dost erzählt die Geschichte eines Mannes, der in der DDR in Konflikt mit staatlichen und auch kirchlichen Strukturen gerät, Theologie studiert und Hörspiele sowie Gedichte und Prosa schreibt und später u.a. als evangelischer Pfarrer in Murau wirken wird. Es ist seine Geschichte, seine Autobiografie. Details zur Veranstaltung
Seit einem Jahr führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Dies bedeutet auch ein Jahr Propagandakrieg, ein Jahr Social-Media-Krieg, ein Jahr Weltanschauungskrieg. Was denken und schreiben österreichische Twitter- & Social Media-User über die beiden kriegsführenden Länder? Diskurskurator Florian Traussnig wird mit dem Völker- und Menschenrechtsexperten sowie aktiven Twitter-User Ralph Janik über diese und andere Fragen diskutieren. Details & Kurzbericht zur Veranstaltung
Der Kampf um Freiheit und Gleichberechtigung ist universell, zeitlos und stets aufs Neue zu führen. Studentinnen und Studenten der Uni Graz haben anlässlich des Martin Luther King Jr. Day im Cubus afro-amerikanische Texte der letzten 300 Jahre im englischen Original. Black Writing Matters. Zum Veranstaltungsbericht
Beim Diskurs-Brunch am Freitag, den 30. September im Innenhof vor dem Minoritensaal wird sich Kurator Florian Traussnig mit seinen Gästen Rüdiger Zill und Aglaia Kister dem Werk von Hans Blumenberg stellen. Zur besten vormittäglichen Frühstückszeit sprechen die Diskutierenden über die anekdotischen, biografischen und lebensweltlichen Schneisen, die der deutsche Philosoph geschlagen hat, um seinen faszinierenden, nicht nur von Theorien, sondern auch von Metaphern und Emotionen gepflasterten intellektuellen Weg zu beschreiten. Details zur Veranstaltung
Das 20-Jahr-Jubiläum zur Errichtung des Gefangenenlagers Guantánamo Bay gibt Anlass, kritisch über Lager nachzudenken und den wissenschaftlichen Diskurs darüber zu ermöglichen. Wir freuen uns daher, am DO, dem 26. Mai ein „local panel“ der interdisziplinären englischsprachigen Konferenz Camps, (In)Justices, and Solidarity in the Americas im KULTUM zu Gast zu haben! Details zur Veranstaltung
Was ist eine "atmende Demokratie"? Diese Frage stellten wir uns am Ende der Ausstellung EINATMEN - AUSATMEN. Bericht des Kurators Florian Traussnig zum ATEM-DISKURSPANEL anlässlich des großen Fests zur Wiedereröffnung der Minoritensäle. Über Atem und Atemlosigkeit in Kunst, Philosophie und Gesellschaft sprachen die Kunsthistorikerin Linn BURCHERT, die Germanistin Nikola Roßbach und der Philosoph Lenart Škof.
Droht uns, den westlichen Demokratien, in Fragen wie Klima, Corona oder – siehe jüngst die USA – Wahlergebnisse die „gemeinsame Realität“ abhanden zu kommen? Drohen wir, in einen erkenntnistheoretischen Abgrund zu fallen? Braucht es daher eine „handfeste“ Wende zu mehr Faktizitätsbejahung? Oder braucht es ein tiefevres philosophisches Verständnis über Erkenntnis und Erkenntnisprozesse? AM ABGRUND, so der Titel der Diskursreihe, die mit 3- bis 4-minütigen Video-Statements aus verschiedenen Disziplinen unterschiedliche Blicke auf diese Fragen wirft.