Wie auch immer unsere postcoronale, aber weiterhin mit (ökologischen) Krisen, Kriegen sowie großen und kleinen Katastrophen konfrontierte Gesellschaft aussehen wird: Sie wird sich geistig und schöpferisch neu sortieren müssen. Die Frage nach neuen gesellschaftlichen und politischen Würfen, nach Utopien, Visionen, kurzum: nach großen Aufbruchserzählungen, nach fresh stories, steht elefantenhaft im Raum. Aber auch der Blick zurück lohnt: Liest man sich etwa in alte Texte über Plagen-, Konflikt und Krisenzeiten tiefer ein, so „reimt“ sich erstaunlich viel, so finden sich erstaunlich viele erhellende Analogien, lassen sich anthropologische Kontinuitäten ausmachen, die für unsere aktuelle soziologische und politische Verfasstheit von hoher Relevanz sind: So nährten etwa Katastrophen nicht nur die diffusen Ängste der Menschen, sondern befeuerten das (religions-)kritische Denken, stärkten das Nachdenken über eine andere Zukunft, legten oft auch die Grundlagen für neue Formen des Arbeitens und Lebens. Chaos gebiert oft Neues! In diesem Sinne öffnen die teils dramatischen Umbrüche, die ökologisch-gesundheitliche Großkrise, die Digitalisierung sowie die epistemologischen Medien- und Politik-„Troubles“ unserer heutigen Zeit ähnliche Möglichkeitsräume. Welche narrativen Bausteine, welche politischen und philosophischen Konzepte, welche spannenden Dialektiken tun sich auf, wenn man alte und neue (Krisen-)Texte und Gedanken zusammenbringt und darüber diskutiert?
In der Reihe Neu gelesen. Neu erzählt. Neu gemischt. werden wir anlässlich eines je speziellen Mottos bzw. Themenbereichs einen Blick in den geistesgeschichtlichen Rückspiegel werfen und dazu je eine fachkundige Stimme einladen, die alte Texte vor dem Hintergrund der Gegenwart und Zukunft neu liest und zur Diskussion stellt.