Nachlese: WHATSAPP-SCHLAGABTAUSCH & GEHEIMNIS IM MÜLL - Karloff und Traussnig im Literaturgespräch
Zwischen Welten von Juli Zeh und Simon Urban ist ein hochaktueller Gesellschaftsroman über die zerstörerische Kraft eines enthemmten Diskurses. Er erzählt vom hitzigen Schlagabtausch zweier Menschen – der Landwirtin Theresa und des Journalisten Stefan, die sich nach zwanzig Jahren zufällig wiederbegegnen –, um polarisierende Fragen wie Klimapolitik, Gendersprache und Rassismus. Vor allem geht es jedoch um Selbstbestimmung versus Zugehörigkeit, um Freiheit versus Einengung: Ist heute wirklich jeder und jede gezwungen, eine Seite zu wählen – oder gibt es noch Gemeinsamkeiten zwischen den Welten? Ist ein „Alles auf Anfang!“ noch möglich – oder sind es gerade die enttäuschten Erwartungen, die Konflikte unüberwindbar machen?
Kathrin Karloff, Amerikanistin und Leiterin des Bildungsforums Mariatrost, las aus diesem Roman. Der Historiker und KULTUM-Diskurskurator Florian Traussnig brachte ebenfalls ein Buch in den Kleinen Minoritensaal mit:
„Wie soll das gehen, dass einer so gut Bescheid weiß über andere Menschen?“ Das fragt sich die Süddeutsche Zeitung anlässlich Arno Geigers autobiografischem Roman Das glückliche Geheimnis. Geiger, ein „Empathiemonster“, klapperte 25 Jahre lang geheim Wiener Altpapiercontainer ab und fand dabei Bücher, Dokumente, Postkarten, Briefe, Tagebücher und profanere Dinge. Sprachlich klar, aber analytisch und nachdenklich erzählt er sein literarisches Werden und sein Arbeitsverständnis als Autor, der morgens kopfüber und verschwitzt im Altpapier wühlt und abends mit Präsidenten diniert – und dabei viel über die Widersprüche, Zerbrechlichkeit und Liebenswürdigkeit der Menschen erfährt. Das Buch ist auch ein Seismograph für den Kulturwandel im Umgang mit Geschriebenem, für große gesellschaftliche Umwälzungen und für die Mechanismen des Literaturbetriebs. Und ein Dokument für die harte Arbeit am Menschen selbst.
Zwei sehr unterschiedliche Bücher, die auf ihre je eigene Art versuchen, den Pulsschlag unserer umkämpfen Zeit und sich rasant wandelnden Gesellschaft zu ertasten. Wo gibt es inhaltliche und formelle Gemeinsamkeiten, wo Widersprüche, wo spannende Analogien?
Kurzes Resümee des Bildungsforums Mariatrost über die dialogische Lesung:
"Viel wurde zutage gefördert über das Auseinanderdriften entgegengesetzter Pole, die Veränderungen der Debattenkultur, die Bedeutung von Empathie und Liebenswürdigkeit, die Grenzen des gemeinsamen Austauschs sowie die Frage, ob und wie ein "Alles auf Anfang!" möglich werden kann - bis es am Ende des Literaturgesprächs, mit den Worten Arno Geigers, hieß: 'Ich bin jetzt am Grund. Es ist alles geboren. Rasch weiter!'"