Diskussionsrückblick: RELIGIÖSER TRADITIONALISMUS & RECHTSEXTREMISMUS
Zahlreiche religiöse Gruppen in allen monotheistischen Religionen haben derzeit starke anti-aufklärerische Tendenzen und gehen damit Hand in Hand mit rechtsradikalen politischen Parteien und Bewegungen. Sei es in den USA, in Europa, Israel oder Iran. Dabei kommt es zu einer massiven Hinterfragung und Bedrohung der demokratischen Strukturen. Religion wird dabei von radikalen Gruppen als politisches Kampfmittel instrumentalisiert. Im Cubus haben wir im Rahmen der Reihe Zukunft braucht Erinnerung darüber diskutiert.
v.l.: B. Weidinger, M. Hochegger, L. Fellhofer, T. Ehs
Kurzbericht:
„Wenn sich der Glaube […] mit Kränkungen, Fremdheit, Stigmatisierung und auch mit Nostalgie auflädt, […] beginnen Menschen sich einer sogenannten besseren „Vergangenheit“ zu besinnen. [...] Daher kann Religion [...] zu einem Kristallisationskern für autoritäre Neigungen werden.“
Das sagt Martin Hochegger (KAB, Autor), der zum Abschluss der von ihm wesentlich mitgetragenen "1934er"-Reihe mit Tamara Ehs (Politikwissenschaftlerin, Demokratieforscherin), Lisa Fellhofer (Leiterin Doku-Stelle Politischer Islam), Bernhard Weidinger (Rechtsextremismusforscher, DÖW) und Moderator Florian Traussnig sich der Diskussion und dem Dialog stellte. Der Abend startete mit analytischen Impulsvorträgen der vier Podiumsgäste, die unangenehme Fakten zu autoritären Potentialen in den monotheistischen Religionen schonungslos auf den Tisch legten. Die von kritischen Fragen aus dem engagierten Publikum flankierten Ausführungen zeigten auf: Von einer traditionalistischen bis rechtsextremen Auslegung von Religion gehen nicht nur anti-aufklärerische Tendenzen, sondern enorme demokratiepolitische Gefahren aus - siehe Orban, siehe Trump, siehe Netanjahu ...
Neben offener katholischer Selbstkritik durch Hochegger wiesen die Diskussionsgäste auch auf Gefahren durch radikalislamische Prediger oder "graue Wölfe" (Fellhofer) und auf neue, ideologisch ungewöhnliche (Corona-)Allianzen und Querfronten fundamentalistischer, rechtsextremer und auch antisemitischer Kräfte (Weidinger) hin. Ehs verwies symbolisch pointiert etwa auf die Segnung konservativ-rechtspopulistischer Politiker bei evangelikalen „Awakening“-Events und zeigte auf, wie besonders in Ländern wie Ungarn oder Russland demokratische Institutionen durch fundamentalistische Kräfte unterminiert werden.
Es "knisterte" mitunter auch, da die Vorstellungen von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit sowie der Rolle der Religion in diesen beiden Bereichen auch unterschiedlich waren. Sowohl aus dem Publikum als auch von seiten des Podiums war aber der Wunsch nach mehr "Gasthaus", also nach mehr echter zwischenmenschlicher Begegnung jenseits des digitalen Echoraums, zu vernehmen. Demokratie brauche Austausch, Gespräch, gepflegten Streit. Persönliche Anmerkung des Moderators: Wer, wenn nicht die katholische Kirche, hat die Möglichkeit, solche offenen Begegnungsräume über die Milieus und politischen Lager hinweg zu bieten?
Florian Traussnig
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