SINTFLUT & SINN| Hartmut Böhmes Neu-Lesung von Ovid
Brauchen wir heute noch Mythen? - Diese Frage stellte Hartmut Böhme seinem Lesungs- und Vortragsabend im Rahmen der ReiheNEU GELESEN. NEU ERZÄHLT. NEU GEMISCHT. voran, bei dem er Ovids Sintflut-Erzählung in den „Metamorphosen“ neu las und neu ausdeutete. Und der Kulturtheoretiker und Literaturwissenschaftler gab sogleich die Antwort: Ja, alte Erzählungen und Mythen haben uns in unserer planetaren Krise viel zu sagen.
In unserer ökologischen Wendezeit lohne die Relecture von Ovid’schen Katastrophentexten, so der Wissenschaftler. Denn der antike Poet „macht uns nicht zu Engeln“ oder modelliere uns zum über alle anderen Wesen triumphierenden „Ebenbild Gottes“, sondern er schreibe in uns „Erdgeborene“ die widersprüchlichen Eigenschaften verschiedener Götter realistisch ein: „Empathie, Liebe und Zärtlichkeit sind nicht unser Charakter in toto“, so Böhme. So sprach er sich für das Überwinden des triumphalistischen „Macht euch die Erde untertan“-Motivs zugunsten der Lesart „Macht euch zu Hegern und Pflegern“ aus.
Durch (selbst-)gemachte Katastrophen zurückgeworfen in die chaotische „Urflut“, könne der Mensch sich als „Autor seiner selbst“ aber neu „erden“ und auf seine Kreativität vertrauen. Diskurskurator Florian Traussnig resümierte: „Wir werden ökologische ‚Kultivierungsleistungen‘ (Böhme) brauchen“. Zum vollen Veranstaltungsbericht