Rainer Fuchs, stv. Direktor des MUMOK in Wien und Johannes Rauchenberger stellen das Buch: "Richard Frankenberger: Natur – Gesellschaft – Widerstand" vor.
Richard Frankenbergers Kunst ist eng mit seinem kultur- und gesellschaftspolitischen Engagement verknüpft. Unermüdlich und mit kritischer Sensitivität beobachtet der Künstler sein unmittelbares ländliches Umfeld, um mit Kunst, die sich an internationalen Maßstäben und am aktuellen Diskurs orientiert, gegen provinzielles Denken und Handeln vorzugehen. Natur und Landschaft werden dabei als gesellschaftliche Umräume wahrgenommen, die fern ab idyllischer Verklärung einer aufklärerischen Beobachtung und künstlerischen Nutzung unterliegen. Seit den 1970er Jahren lotet Frankenberger mit seinem Werk sowie als Initiator künstlerischer und wissenschaftlicher Veranstaltungen konsequent das Spannungsfeld zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und ökonomischen Fehlleistungen aus. In einer durch die Klimakatastrophe, die Umweltzerstörung und die damit verbundene Polarisierung zwischen Arm & Reich – im Schatten Coronas – charakterisierten Zeit, erweist sich sein Werk als hellsichtig und aktuell zu gleich. Rainer Fuchs, Vize-Direktor des MUMOK in Wien, und KULTUM-Leiter Johannes Rauchenberger haben dieses mehr als 300-seitige Buch über das Lebenswerk Richard Frankenbergers im Frühjahr herausgegeben, das nun – coronabedingt – am 15. Juni 2021 im KULTUM präsentiert wird.
So nebenbei ist dies auch ein ungefragter Beitrag zur gegenwärtig laufenden Steiermark-Schau: „Wer wir sind, wer wir waren, was wir sein werden“ – Richard Frankenberger hat das in seiner Art – und immer die Gesellschaft involviernd – bedacht, reflektiert und ausgeführt. Er ist auch diesbezüglich ein Unikat.
Was heißt „ATEM“ nach mehr als einem Jahr Corona? Atmen, eigentlich das erste und letzte Zeichen des Lebens, scheint in Gegenwart der anderen gefährlich – so sehr, dass es die bedrohliche Krankheit auslösen kann, die die gesamte Welt seit mehr als einem Jahr in Atem hält. Besonders perfide trifft mit dem Atmen das Virus unsichtbar ins Zentrum unserer Existenz. Als täglicher Schutz gilt das Tragen eines Textils, das Distanz schafft, Kommunikation behindert und das Atmen gleichzeitig fühlbar schwerer macht. Wie kehren wir zum Atem als die Grundbewegung von Leben zurück? Wie nehmen wir die Angst vor der neuen Normalität? Atem ist Leben! Atem ist Geist – mit einer ganz außerordentlichen Pfingstvigil hat das KULTUM auch seinen Jahresschwerpunkt eröffnet.
... so starteten wir unseren großen "ATEM"-Schwerpunkt zu Pfingsten. In der Pfingstvigil waren drei Uraufführungen in Neuer Musik nach Texten von Margret Kreidl zu hören. Nun folgt die Ausstellung "EINATMEN – AUSATMEN" am 2. Juni.
HIERHIN, ATEM! ist ein Zuruf! Ein Ausruf! Ja, es sogar ein Gebet. Und ein – zugegeben – etwas pathetischer Einstieg für den Beginn einer Programmvorstellung nach mehr als einem Jahr Corona. Angesichts der Atemnot, angesichts der Angst vor Atemnot ist HIERHIN, ATEM!, finde ich, das passende Motto für jetzt.
„HIERHIN, ATEM!“ war die Aufforderung für die Pfingstvigil 2021 in der Grazer Herz-Jesu-Kirche. Es ist ein Ausruf. Ein Zuruf – nach einem dramatischen Jahr der Angst, den Atem womöglich zu verlieren.
Die Pfingstvigil brachte Texte von Margret Kreidl, vertont von den Komponist*innen Sanziana Dobrovicescu, Clemens Nachtmann und Antonis Rouvelas zur Uraufführung, Psalmenübertragungen von Arnold Stadler zum Fest des Atems und des Geistes ließen die ungewöhnliche Sprache des Alten Testaments in einer Weise gegenwärtig werden, die zum Atem-Anhalten führte. Bertl Mütters Improvisationen mit der Posaune leitet „HIERHIN, ATEM!“ ein und kehrt als durchgehendes Motiv zu den Texten wieder.
Ulrich Walters Orgelimprovisationen durchzogen das Programm ebenso wie am Ende die Begleitung des Pfingsthymnus „Der Geist des Herrn erfüllt das All“: Nach langer Zeit konnte (endlich) wieder gesungen werden!
„HIERHIN, ATEM!“ ist eine poetische Übertragung der ersten beiden Worte der lateinischen Pfingstsequenz des niederländischen Dichter-Theologen Huub Oosterhuis (in der deutschen Übertragung von Alex Stock). Mit Pfingsten, dem Fest des Atems und des Feuers, beginnt im KULTUM in Graz unmittelbar nach den ersten Öffnungstagen für die Kultur der Schwerpunkt „ATEM“. Er setzt sich fort in der von Katrin Bucher Trantow und Johannes Rauchenberger kuratierten großen Ausstellung zur Wiedereröffnung des Minoritenzentrums ("EINATMEN – AUSATMEN"), die am Abend vor Fronleichnam (2. Juni) noch in einer Bausstelle beginnt und bis weit hinein in den Herbst 2021 reicht. Lesungen zu ATEM – von Felicitas Hoppe, Margret Kreidl, Christian Lehnert und Arnold Stadler – werden im neu renovierten Minoritensaal am 12. November schließlich den Abschluss dieses großen „Atem“-Schwerpunkts bilden.
Nach mehr als einem Jahr Krise will Alexander Tschernek auf der Suche nach dem wahren Leben ein Umdenken anzetteln. Er hat aus dem gleichnamigen Text von Reinhard P. Gruber ein episodenhaft-filmisches Manifest in fünf kurzen Filmclips erarbeitet, dessen Radikalität in Zeiten des öffentlichen Diskurses über bedingungsloses Grundeinkommen und Gemeinwohl provoziert, polarisiert und animiert. „Das Kreuz mit der Arbeit ist nicht kleiner geworden.“, sagt der Gründer des Vereins zur Vermittlung von Erkenntnisfreuden PHILOSOPHIE PUR. Die Installation „Nie wieder Arbeit“ ist vor der weltweiten Online-Premiere am 10. Juni 2021 auf philosophiepur.net Corona-tauglich exklusiv für aktuelle kunst in graz von 14. bis 16. Mai im KULTUM zu erleben.
Jeder, der arbeitet,
will, daß die Welt
so bleibt, wie sie ist.
Jeder, der nicht arbeitet,
will eine schönere Welt.
– Reinhard P. Gruber
Das KULTUM zeigt die religiösen Arbeiten von Guillaume Bruère von 5. März bis 8. Mai zum ersten Mal als Einzelausstellung.
Mit einem fremden und zugleich ungeheuer anteilnehmenden Blick des Künstlers ist die diesjährige Frühlingsausstellung‚Tot und lebendig: Alte Meister‘ in der Fasten- und Osterzeit zu charakterisieren. Der durch seine ‚Museumsbilder‘ international bekannte Künstler hat sich in der Corona-Krise 2020 erneut religiösen Themenzugewandt, die Kurator Johannes Rauchenberger nun im KULTUM erstmals zeigt.
Es entstanden radikale religiöse Bilder, die aus den zentralen Figurationen des Christentums hervorgegangen sind: Kreuzigungen, Adams und Evas, Marien, Apostel. War Bruère bislang durch seinen exzessiv-expressiven Malgestus bekannt, reiht er sich nun in die Schatten seiner malerischen Vorbilder dezidiert ein. Sie sind niemand geringerer als Giorgione, Piero della Francesca, Dürer, El Greco, Caravaggio oder Rembrandt. "Ich lerne malen", sagt der französische, in Berlin lebende Künstler lakonisch über seine neue Phase. In Guillaume Bruères Werkverzeichnis lauten diese Werke „Religious Themes“. Sie entbehren der sonst üblichen Distanz bei diesen Themen, sie sind ohne Ironie und Affirmation. Und dennoch sind sie ungeheuer radikal.
„Es bricht sich eine existenzielle Betroffenheit die Bahn, die dieses Werk im zeitgenössischen Kontext von Kunst und Religion beinahe singulär erscheinen lässt. In Bruères Archiv sind Hunderte an Blättern, Skulpturen – vor allem kleine Kreuze – archiviert. Nun kommen große Leinwände hinzu, die jeweils nur einen Titel tragen: Das Datum der Vollendung. Es gibt wohl kaum einen Künstler im internationalen Kunstgeschehen, der sich mit einer derartigen Durchsichtigkeit und Zerbrechlichkeit der "alten" Gestalten des Christentums annimmt, wie Guillaume Bruère“,