Doppelter Gast mit Udo Kawasser und Nadja Küchenmeister

Udo Kawasser geht in seinem Band tarquinia. gespräche mit schatten der Frage nach: Was heißt es, ein Leben zu führen, wenn man nicht mehr an ein Leben nach dem Tod glaubt? Er spürt den Dingen nach, dem innerweltlichen Streben nach Seelenruhe und findet in den etruskischen Nekropolen Tarquinia und Cerveteri wohnhausähnliche Grabkammern mit Wandmalereien vor, die den Menschen selbst im Angesicht des Todes als Spielenden, Tanzenden, Jagenden oder Liebenden zeigen. Ein sich sinnlich aufdrängendes Diesseits wird sprachmächtig befragt und besungen, um sich am Ende tatsächlich bis zur Neige vorzuwagen: keiner von uns wusste/dass morgen/um diese zeit/kein wahrscheinlicher satz/mehr war/für uns“
Nadja Küchenmeister, die auf Einladung von Udo Kawasser liest, ist eine wahre poetische Raumarbeiterin, unaufhörlich zwischen Akribie und Verstörung, zwischen Schmerz und Verzauberung pendelnd. An diesem Abend wird sie aus ihrem letzten Gedichtband Der Große Wagen lesen. Ein Langgedicht von 1200 Versen in zehn Zyklen zu jeweils fünf Bildern, welches zwischen den Orten Lissabon, Berlin, Köln und zwischen Erinnerungs- und Erlebnisebenen hin- und hergleitet: „ich sehe den großen wagen und alles, was war“, das ist der Satz, mit dem Küchenmeister ihr Poem eröffnet. In einem Interview erzählte sie, dass sie sich zu diesem Augenblick bei ihrer Mutter auf dem Land befunden und aus dem Fenster geblickt habe. Was genau dieses „alles“ sein könnte, war ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. Der Text unternimmt den Versuch, es zu ergründen und vor allem auch über das Ich hinaus gültig zu machen.

