DER FLUCH DER GUTEN TAT
Hochkulturen wie die ägyptische, die babylonische, die persische, die chinesische oder die griechisch/römische erreichten ihre staunenswerten Leistungen ganz ohne den Einsatz von Künstlern und Wissenschaftlern. Es reichte, um die großartigsten Taten zu vollbringen, wenn Handwerker die Zustimmung der Kulturkollektive erhielten.
Die Begriffe Kunst und Wissenschaft, also auch Künstler und Wissenschaftler, gibt es erst seit 600 Jahren und ausschließlich in Europa – abgeleitet aus der christlich-theologischen Auffassung, dass jeder Mensch unmittelbar zu Gott ist. So entstand die fruchtbare Konfrontation zwischen Autorität der Individuen als Aussagenurheber/Autoren mit den Entscheider-Kollektiven der Kulturen.
Die documenta 15 wurde von Kuratoren außerhalb dieser europäischen Konfrontation von Kunst/Wissenschaft und Kultur angeboten, die glaubten, bedenkenlos in ihrem kollektiven Kulturalismus verharren zu können. Sie wussten nicht einmal, dass es in Europa sehr viele Versuche gegeben hat, kulturelle Autorität gnadenlos gegen Künstler und Wissenschaftler durchzusetzen.
So wurde die documenta 15 zu einem matten Abbild des Kulturalismus, den die Demokratien Europas nach 1945 glaubten, endgültig hinter sich gelassen zu haben. Die documenta-Kuratoren entsprachen damit den Positionen der totalitären Herrscher Erdogan, Putin, Xi, deren kleinere frühere Variante Suharto sie offensichtlich immer noch verinnerlichen, obwohl sie sich gegen den fundamentalistisch-totalitären Kulturalismus ihres landeseigenen Diktators gewehrt zu haben behaupten.
Für alle Künstler und Wissenschaftler gilt es jetzt, strikt gegen die Macht des Kulturalismus Position zu beziehen.