Am Programm stehen diesmal zwei Uraufführungen: „Evidence“ des in Wien lebenden Komponisten Marko Markuš entstand 2022 ebenso wie die titelgebende Komposition „Kontrapunk“ aus der Feder Daniel Oliver Mosers. Mit dem Punk Rock verbinden wir gerne das betont Triviale, manchmal transportiert er eine recht aggressive Form von Nihilismus, die mitunter wie eine spätdadaistische Ekstase daherkommt. Kommen wir aber zurück zum Programm: Nicht unspannend scheint mir die Frage, inwieweit wir in der Neuen Musik unsere eigenen trivialen Strukturen zelebrieren. Hier führen wir das Kapitel Spektralmusik besonders ins Treffen, da sie auf sehr explizite Weise etwas fundamental Einfaches in prominentester (also hörbarer) Weise thematisiert, nämlich die Obertonreihe. Diese besteht aus ganzzahligen Vielfachen einer Grundfrequenz, ist also, mathematisch betrachtet, als trivial zu beschreiben. Daniel Moser hat sich in seinem Schaffen sehr grundlegend mit der Spektralmusik befasst. Das hören wir auch in seinen (durchaus nicht trivialen) Werken. Wir laden Sie herzlich ein, hineinzuhören, aus wie vielen (Oberton-)Akkorden der Kontrapunk besteht. Beim Punk ohne Kontra reichen bekanntlich drei Stück, um eine Band zu gründen.
„Oh, City“ von Weiwei Xu kam 2021 beim musikprotokoll durch das Ensemble Zeitfluss zur Uraufführung. Das etwa zehnminütige Stück führt in seinen Außenteilen durch eine sehr bewegte Textur, die auf recht traditionelle Weise ein ruhigeres Mittelstück umrahmen. Die klare Formdisposition des Stückes können Sie schon vorab auf dem SoundCloud-Kanal der Komponistin nachvollziehen, oder besser noch nach dem Konzertbesuch erneut nachhören.
Von Alyssa Aska ist die Komposition „arcanum“ zu hören. Auch dieses Stück finden Sie vorab oder zum Nachhören auf dem YouTube-Kanal der ÖGZM. Es wurde 2021 während des Veranstaltungsverbots im Wiener Ehrbar-Saal aufgenommen und unter dem Motto IN SPIRITO MAHLER als Video produziert und gestreamt. Auch Aska arbeitet mit Obertonreihen auf ganz vordergründige Art und Weise. Durch Überlagerung zweier oder dreier Spektren – die man freilich wie einen Akkord auffassen kann – entstehen langsam mäandernde Klangflächen, die wie in einigen anderen Werken Askas auch hier als Überlagerung kleiner, repetierter und jeweils verschieden schnell buchstabierter Figuren ausformuliert ist.
Schließlich kommt das Stück „Sugarcoating“ der kroatischen Komponistin Sara Glojnaric zur Aufführung. Auf der auffallend schrillen Website (die in bewusster Kontraästhetik dort hingeknallten Ellipsen sind zwar äußerst „schiach“ aber absolut sehenswert!) der Komponistin liest man über ihr Werk: „’sugarocating’ is the first piece in the sugarcoating series, which is based on re-adapting major sound fetishes in pop-music, based on data provided by Million Songs Dataset, a freely-available collection of audio features and metadata for a million contemporary popular music tracks.“ Es wird also bunt.
Nach dem Konzert im KULTUM gastiert tags darauf das Ensemble Zeitfluss übrigens mit dem selben Programm beim kroatischen Festival Glazbena Tribina in Osijek.
Christoph Renhart