Museum: Raum 05

Danica Dakić: SURROUND, 2003/2008

Ein feierliches Leseritual steht im Zentrum von Danica Dakic´s „Surround“, das ursprünglich für die Istanbul Biennale 2003 als Videoskulptur entstanden ist: Um einen imaginären Kreis aus aufgeschlagenen Büchern versammeln sich sieben Menschen, die von oben gefilmt sind, und beginnen, so einen ornamentalen Heptagon- Ring ausbildend, einer nach dem anderen, aus den vor ihnen liegenden Büchern vorzulesen: Man hört verschiedene Stimmen, die in verschiedenen Sprachen wie Sanskrit, Latein, Arabisch, Chinesisch oder Hebräisch religiöse Texte vorlesen und vorsingen. Die Menschen sind unbekleidet, sie sind nur sie selbst, weder durch Status, Hierarchie, Amt oder kulturelle Codes markiert. Die Bücher, aus denen sie lesen, sind die Heiligen Bücher der Weltreligionen, die sich auf Heilige Schriften beziehen: Christentum, Judentum, Islam, Konfuzianismus, Hinduismus, Taoismus und Buddhismus. Jeder Körper steht für eine Weltreligion. Und gleichzeitig stehen diese Menschen auch für verschiedene Geschlechter, Herkunft und Hautfarben: Männer und Frauen, Schwarz, Weiß und Asiaten – der Ausschnitt eines Kosmos hat sich hier versammelt.

Aus dieser Videoskulptur entstand 2008 diese Diasec-Serie, die nur die Hände dieser Menschen zeigt, die über den aufgeschlagenen Büchern fast in Beschwörungs- oder Segensgeste zu schweben scheinen. Welche Seiten die Künstlerin ausgewählt hat, kann aus der Perspektive des Christentums auch für die anderen Bücher erahnt werden: AD CORINTHOS I, Kap. XXIII besingt die Größe der Liebe in einem großen Lied. Und: Es spricht vom Stückwerk des Erkennens: „Jetzt aber schauen wir wie durch einen Spiegel, dann aber von Angesicht zu Angesicht.“

Surround, 2003/2008, 7 C-Prints (Diasec), je 50x42 cm, KULTUMdepot Graz, aus: WIE DU MIR. Gegenbilder für transkulturelles Denken und Handeln (2008) und: IRREALIGIOUS! Parallelwelt Religion in der Kunst (2011/12) | Danica Dakić

Danica Dakic

geboren 1962 in Sarajevo, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Sarajevo. Sie studierte in Sarajevo, Belgrad und Düsseldorf. Ihre Installationen und Videos, die Fragen der Identität, Migration und des Transkulturellen behandeln, waren u.a. bei der documenta 12, sowie bei Einzel- und Gruppenausstellungen in Berlin, Ljubljana, Wien, Rotterdam, Kassel, Istanbul, Stockholm und Venedig zu sehen. Im KULTUM wurde Dakić in den Ausstellungen „WIE DU MIR. Gegenbilder für transkulturelles Denken und Handeln“ (2008), „RELIQTE“ (2010), „IRREALIGIOUS! Parallelwelt Religion in der Kunst“ (2011/12), „reliqte, reloaded: Zum Erbe christlicher Bildwelten heute” (2015/16) und „VULGATA. 77 Zugriffe auf die Bibel“ (2017) gezeigt.

born in Sarajevo, Bosnia and Herzegovina, in 1962; lives and works in Düsseldorf and Sarajevo. She studied in Sarajevo, Belgrade, and Düsseldorf. Her installations and videos dealing with questions of identity, migration, and the transcultural were shown i.a. at the documenta 12 and in both solo and group exhibitions in Berlin, Ljubljana, Vienna, Rotterdam, Kassel, Istanbul, Stockholm and Venice. Dakić’s works were presented in the KULTUM in the exhibitions “WIE DU MIR. Gegenbilder für transkulturelles Denken und Handeln“ (2008), „RELIQTE“ (2010) and “IRREALIGIOUS! Parallelwelt Religion in der Kunst“ (2012).

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Danica Dakic´: SURROUND, 2003/2008

A ceremonious ritual of reading takes center stage in Danica Dakić’s “Surround“, which was initially created in the form of a video sculpture for the Istanbul Biennale 2003: Seven people gather around an imaginary circle of opened books. They are filmed from above and—forming an ornamental ring of a heptagon—they begin to read out from the books lying in front of them one after the other: One hears different voices reading out or singing out religious texts in different languages such as Sanskrit, Latin, Arabic, Chinese or Hebrew. The people are naked; they are their pure selves, neither marked by status and hierarchy, nor by office and cultural codes. The books they are reading out from are the sacred books of the world religions that refer to the Holy Scriptures: Christianity, Judaism, Islam, Confucianism, Hinduism, Taoism and Buddhism. Each body represents a world religion. And at the same time, these people stand for different sexes, origins and colors of the skin: men and women, blacks, whites and Asians—the section of a universe congregated here.

In 2008, this Diasec series was created from the video sculpture. It only shows the hands of these people, which almost seem to float over the opened books in a gesture of invocation or benediction. The pages the artist selected for this can also be guessed for the other books from the perspective of Christianity: AD CORINTHOS I, Chapter XXIII sings the song of the greatness of love. And: It speaks of the fragmentary nature of recognition: “For now we see through a glass, darkly; but then face to face.”

Text aus | Text from: Johannes Rauchenberger: Gott hat kein Museum. Religion in der Kunst des beginnenden XXI. Jahrhunderts. | No Museum Has God. Religion in Art in the Early 21^stCentury. (IKON. Bild+Theologie, hg. von | ed. by Alex Stock und Reinhard Hoeps), Verlag Ferdinand Schoeningh, Paderborn 2015, S. | p. 614-617.

Text: Johannes Rauchenberger, aus: VERTRAUT UND FREMD. VULGATA 77. Zeitgenössische Zugriffe auf die Bibel im Dommuseum Mains (Publikationen des Bischöflichen Dom-und Diözesanmuseums Mainz, Bd. 11), Mainz 2019, S. | p. 106.