Museum: Raum 05

Danica Dakić: ZID/WALL, 1998

ZID ist der serbokroatische Name für Wand. Es sind mehr als 60 Münder, die den Betrachter, die Betrachterin „anblicken“; sie bilden diese Wand. Danica Dakic´ zeigt auf den ersten Blick ein babylonisches Sprachgewirr, das allen Globalisierungsoptimisten Lügen straft: Sprachfetzen bleiben ebenso bruchstückhaft wie die physiognomische Fragmentpräsenz der Münder. Doch bei längerem Hinsehen und der Konzentration auf die einzelnen Münder wird allmählich doch so etwas wie Individualität erkennbar. Man beginnt, anhand der Lippen das Geschlecht zu unterscheiden, versucht, über den Ausschnitt des Mundes ein Gesicht zu konstruieren oder doch zumindest einen Typus, eine vage Herkunft zu bestimmen. Aus dem Stimmenteppich hebt sich für eine kurze Zeit eine Stimme heraus und synchronisiert sich mit einem Mund. Scheinbar unverbundene Persönlichkeitsfragmente fügen sich zusammen. Die Stimmen/ Münder erzählen jeweils ein paar Minuten aus ihrem Leben – wer sie sind, wo sie herkommen, was sie sich vom Leben wünschen, was sie bewegt. Aus der Mauer des Sprachengewirrs ist aus der Kongruenz von Mund und Auge ein Teppich von Menschen, ihrer Kultur und ihrer Identität geworden.

Danica Dakic

geboren 1962 in Sarajevo, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Sarajevo. Sie studierte in Sarajevo, Belgrad und Düsseldorf. Ihre Installationen und Videos, die Fragen der Identität, Migration und des Transkulturellen behandeln, waren u.a. bei der documenta 12, sowie bei Einzel- und Gruppenausstellungen in Berlin, Ljubljana, Wien, Rotterdam, Kassel, Istanbul, Stockholm und Venedig zu sehen. Im KULTUM wurde Dakić in den Ausstellungen „WIE DU MIR. Gegenbilder für transkulturelles Denken und Handeln“ (2008), „RELIQTE“ (2010), „IRREALIGIOUS! Parallelwelt Religion in der Kunst“ (2011/12), „reliqte, reloaded: Zum Erbe christlicher Bildwelten heute” (2015/16) und „VULGATA. 77 Zugriffe auf die Bibel“ (2017) gezeigt.

born in Sarajevo, Bosnia and Herzegovina, in 1962; lives and works in Düsseldorf and Sarajevo. She studied in Sarajevo, Belgrade, and Düsseldorf. Her installations and videos dealing with questions of identity, migration, and the transcultural were shown i.a. at the documenta 12 and in both solo and group exhibitions in Berlin, Ljubljana, Vienna, Rotterdam, Kassel, Istanbul, Stockholm and Venice. Dakić’s works were presented in the KULTUM in the exhibitions “WIE DU MIR. Gegenbilder für transkulturelles Denken und Handeln“ (2008), „RELIQTE“ (2010) and “IRREALIGIOUS! Parallelwelt Religion in der Kunst“ (2012).

zurück

Danica Dakic: ZID/WALL, 1998

ZID is the Serbo-Croatian word for wall. It is 60 mouths that “look” at the viewer; they form this wall. At first sight, Danica Dakić presents a Confusion of Languages that belies all optimists of globalization: Snatches of language remain as fragmentary as the fragmentary physiognomic presence of the mouths. But if one looks at them for a longer period of time and concentrates on the individual mouths, something like individuality can be perceived by and by. One begins to distinguish between the genders on the basis of the lips, one attempts to construct a face by means of the section of the mouth, or to determine at least a type, a vague origin. One voice stands out from the carpet of voices for a little while and is synchronized with an individual mouth. Seemingly unconnected fragments of a personality fit together. The voices/mouths each tell us about their lives for a few minutes—who they are, where they come from, what they wish from life, what moves them. The wall of the Confusion of Languages has turned into a carpet of people, their culture and their identity.

Text aus | Text from: Johannes Rauchenberger: Gott hat kein Museum. Religion in der Kunst des beginnenden XXI. Jahrhunderts. | No Museum Has God. Religion in Art in the Early 21^stCentury. (IKON. Bild+Theologie, hg. von | ed. by Alex Stock und Reinhard Hoeps), Verlag Ferdinand Schoeningh, Paderborn 2015, S. | p. 612-613.