Museum Raum 02

Guillaume Bruère: 03.04.2017

In einem mehrwöchigen Schaffensrausch zum Thema Kreuz malte der in Berlin lebende französische Künstler Guillaume Bruère im Frühjahr 2017 eine Serie großformatiger Bilder und Skulpturen. Naive, fast kindliche Elemente sind dabei zu finden, Herzen zum Beispiel: Aus dieser ekstatischen Schaffensperiode über religiöse Themen von 2017 stammt schließlich das großformatige Kreuzigungsbild 03.04.2017. Es steht in der Tradition der Kreuzigungsbilder, die die ganze Weltenlandschaft in sich fassen. Ein Gedränge darunter. Die Verdunkelung am Horizont. Alles spitzt sich zu. Die kosmische Dramatik der Kreuzigungsszene mit dem verdunkelten Himmel wird zum Schrei des „Eli, Eli, lema sabachthani“ („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“; Mt 27,46). Unübersehbar ist dieser Schrei ins Bild geschrieben: GOTT WO BIST ICH? – eine Mischung aus Frage und Antwort, die im letzten Moment das ursprüngliche „Du“ (GOTT WO BIST DU?) zum „Ich“ dreht: Es klingt fast wie der Schrei: „Gott, verpiss dich!“ Angst. Verlassenheit. Verzweiflung. In all das hat der Künstler noch ein Herz eingeschrieben. Eine rot umrandete Figur umklammert Christi Leib. Ist es seine Anima? Maria Magdalena? Der Künstler kann es nicht benennen: „Wenn ich im Malakt so etwas schreibe, bin ich nicht mehr in meinem Körper^“, sagt Guillaume Bruère. Ein gelb-grüner Vogel (eine übergroße Taube?) scheint auf ihn von oben einzustürzen.

Guillaume Bruère

geboren 1976 in Châtellerault, Frankreich; lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland. Bruère studierte an der Kunstakademie in Nantes und der Kunsthochschule EESI (École européene supérieure de l’image) und schloss sein Studium 2003 ab. Zwischen 1998 bis 2002 war er als Assistent von Fabrice Hybert, Jacques Villeglé, Richard Fauguet und Thomas Hirschhorn tätig. Früh traf er wichtige Künstler wie Georg Baselitz und Arnulf Rainer, deren Arbeiten bedeutenden Einfluss auf ihn hatten. In seinen Museumsarbeiten, die im KULTUMGraz das erste Mal zu sehen waren, übten die flämischen und altdeutschen Meister eine besondere Faszination auf ihn aus. Neben Zeichnungen und Malereien zählen Skulpturen und Aktionen zu seinem OEuvre: So zeichnete er 2015 in einer öffentlichen Performance in Graz Flüchtlingsportraits, die später im Deutschen Historischen Museum in Berlin und in Brüssel zu sehen waren. Im KULTUM wurde Bruère in der Ausstellung Flüchtlingsportraits/Portraits of Refugees“ (2016), „reliqte, reloaded: Zum Erbe christlicher Bildwelten heute” (2015/16), „VULGATA. 77 Zugriffe auf die Bibel“ (2017) und in der Einzelausstellung: "Guillaume Bruère: DEAD&ALIVE. Alte Meister (2021) gezeigt.

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In a creative frenzy lasting several weeks on the theme of the cross, Berlin-based French artist Guillaume Bruère painted a series of large-format paintings and sculptures in the spring of 2017. Naive, almost childlike elements can be found in them, hearts for example: the large-format crucifixion painting 03.04.2017 ultimately stems from this ecstatic creative period on religious themes in 2017. It follows in the tradition of crucifixion paintings that encompass the entire world landscape. A crowd below. Darkness on the horizon. Everything comes to a head. The cosmic drama of the crucifixion scene with the darkened sky becomes the cry of ‘Eli, Eli, lema sabachthani’ (‘My God, my God, why have you forsaken me?’; Mt 27:46). This cry is unmistakably written into the picture: GOD, WHERE AM I? – a mixture of question and answer that at the last moment turns the original ‘You’ (GOD, WHERE ARE YOU?) into “I”: it almost sounds like the cry: ‘God, piss off!’ Fear. Abandonment. Despair. The artist has inscribed a heart into all of this. A red-outlined figure clutches Christ‘s body. Is it his anima? Mary Magdalene? The artist cannot say: ‘When I write something like this in the act of painting, I am no longer in my body,’ says Guillaume Bruère. A yellow-green bird (an oversized dove?) seems to be swooping down on him from above.

Literatur: Johannes Rauchenberger, aus: VERTRAUT UND FREMD. VULGATA 77. Zeitgenössische Zugriffe auf die Bibel im Dommuseum Mains (Publikationen des Bischöflichen Dom-und Diözesanmuseums Mainz, Bd. 11), Mainz 2019, S. | p. 75