Museum Raum 02

Bettina Rheims/Serge Bramly: Das Haus in Nazareth, aus dem Zyklus: I.N.R.I., 1997

„Das Haus von Nazareth“ ist Teil einer umfassenden Fotoserie der französischen Starfotografin Bettina Rheims, die mit dem Philosophen Serge Bramly Ende der 1990er er Jahre das vieldiskutierte Projekt I.N.R.I. realisierte, in dem sie sich die beiden die Frage stellten: „Wie läßt sich Jesus heute darstellen, am Beginn des XXI. Jahrhunderts? Wie läßt sich mit heutigen Mitteln, in der uns vertrauten Welt, sein Leben, sein Tun, seine Lehre schildern, so daß es uns anspricht, daß es – und das mag paradox erscheinen – zeitlos wirkt, wie es ja in den Evangelien heißt: ‚Ich bin mit euch für immer, bis ans Ende der Welt?’ [...] Wir stützen uns also auf die Texte, schöpfen aus den Quellen, versuchen Tatsachenberichte und Legenden, die sie nach sich zogen, zu mischen, als gehörte dies in diese unbestimmte Zeit, die wir Gegenwart nennen, als entdeckten wir alles zum ersten Mal, und dabei folgen wir im Grunde nur dem Beispiel der Künstler der Vergangenheit, die nicht davor zurückscheuten, Episoden aus der Schrift in ihr Jahrhundert zu transportieren und ihnen als Hintergrund gar einen Vorort von Florenz zu geben.“

Der Versuch, das Leben Jesu zu aktualisieren, führte damals zu großen Konflikten mit katholischen Bischöfen, vor allem in Frankreich, aber auch in Österreich: Die gesamte Serie wurde bereits 2000 erstmals im KULTUM gezeigt.

Das „House of Nazareth“ zeigt ein schwarz gelocktes Kleinkind auf den Tischen mit zurückgelassenen Speise- und Trinkutensilien. Es spielt in seinen Händen dem Totenkopf. Hinter ihm ist auf der blauen Wandfarbe des Zimmers eine Plakette mit dem hebräischen Buchstaben „Aleph“ eingeprägt. Alpha und Omega: Das Kind als Pantokrator, der aber nicht mit den Insignien der Macht (des Reichsapfels), sondern der Endlichkeit spielt, inmitten eines einfachen Ess-Ambientes einer Anstalt, eines Klosters, was auch immer. Die Szene wird hier sehr real in einen Speisesaal verlegt, wie er einfacher kaum denkbar ist: Dennoch sind es viele, die hier verköstigt werden.

Das Haus in Nazareth, aus dem Zyklus: I.N.R.I., 1997, C-Print montiert auf Aluminium, gerahmt. Ed 1/7, KULTUMdepot Graz, aus: VULGATA. 77 zeitgenössische Zugriffe auf die Bibel (2019) | Bettina Rheims/Serge Bramly

RHEIMS, Bettina

geboren 1952 in Neuilly-sur-Seine, Frankreich, lebt in Paris. Sie gehört zu den bekanntesten Fotografinnen Frankreichs und publizierte vor allem in der erotischen Fotografie. Eine Zusammenarbeit mit dem Philosophen Georges Bramly ist die Serie I.N.R.I., die zum ersten Mal 1999 in Berlin im Deutschen Historischen Museum ausgestellt wurde. In 200 farbigen und einigen schwarzweißen Fotografien stellten Rheims und Bramly Szenen aus dem Leben Christi nach. Im KULTUM wurde Rheims in der Einzelausstellung “I.N.R.I."(2000) und in den Ausstellungen „reliqte, reloaded: Zum Erbe christlicher Bildwelten heute” (2015/16) und „VULGATA. 77 Zugriffe auf die Bibel“ (2017) gezeigt.

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‘The House of Nazareth’ is part of a comprehensive photo series by French star photographer Bettina Rheims, who, together with philosopher Serge Bramly, realised the much-discussed project I.N.R.I. in the late 1990s, in which they asked themselves the question: „How can Jesus be portrayed today, at the beginning of the 21st century? How can we use today‘s means, in the world we know, to describe his life, his deeds, his teachings in such a way that it appeals to us, that it – and this may seem paradoxical – appears timeless, as it says in the Gospels: “I am with you always, even unto the end of the world”? [...] So we rely on the texts, draw from the sources, try to mix factual reports and the legends they gave rise to, as if this belonged to this indeterminate time we call the present, as if we were discovering everything for the first time, and in doing so we are basically just following the example of the artists of the past, who did not shy away from transporting episodes from Scripture into their own century and even giving them a suburb of Florence as a backdrop.“

The attempt to bring Jesus‘ life up to date led to major conflicts with Catholic bishops at the time, especially in France, but also in Austria: The entire series was first shown on KULTUM in 2000. ‘House of Nazareth’ shows a black-haired toddler on the tables with food and drink utensils left behind. It plays with a skull in its hands. Behind it, a plaque with the Hebrew letter ‘Aleph’ is engraved on the blue wall paint of the room. Alpha and Omega: the child as Pantocrator, but playing not with the insignia of power (the imperial orb) but with finitude, in the midst of a simple dining environment in an institution, a monastery, whatever. The scene is very realistically set in a dining room that could hardly be simpler: yet there are many who are fed here.

Literatur: Johannes Rauchenberger, aus: VERTRAUT UND FREMD. VULGATA 77. Zeitgenössische Zugriffe auf die Bibel im Dommuseum Mains (Publikationen des Bischöflichen Dom-und Diözesanmuseums Mainz, Bd. 11), Mainz 2019, S. | p. 49.