Johannes Rauchenberger im Gespräch mit Peter Trummer über sein neu aufgelegtes Osterbuch: „Auferstehung jetzt – Ostern als Aufstand. Theologische Provokationen“
Man kann die Frage der Auferstehung nicht auf einen bestimmten Augenblick im Leben Jesu eingrenzen, sie beginnt mit der Deutung der Passion. Lukas spricht bereits am Beginn des Weges nach Jerusalem von seiner sich vollendenden „Aufnahme“ (die wir als Himmelfahrt bezeichnen) und betont die wilde Entschlossenheit (9,51), das definitive Zeugnis für sein Gottesbild abzulegen.
Dabei geht es einzig um die Frage: Braucht Gott Opfer um gnädig zu sein, wie es die Hohepriester vertreten und ihn deshalb am Kreuz hängen sehen wollen, weil er dort nach damaligen Vorstellungen „von Gott verflucht“ ist. Jesus aber dreht dieselbe Argumentation um und möchte genau mit diesem so gefürchteten Tod den Beweis erbringen, dass sein Gottesbild auch dieser Herausforderung gewachsen ist. Er geht also ganz bewusst auf das Kreuz zu und hat zu keinem Augenblick seines 18-stündigen Leidens den Protest aufgegeben, ist nie zum gehorsamen Opfer geworden oder hat seine Würde verloren.
Hier kommt das geniale Kreuz Fischer von Erlachs am Hochaltar von Mariazell ins Spiel: Gott kommt dem Gekreuzigten entgegen. Der Vater reicht dem Sohn schon am Kreuz die Hand. Und das bedeutet Auferstehung in der Stunde des Todes. Das ist auch für uns so extrem wichtig, weil wir ja keine Auferstehung aus den Gräbern nach drei Tagen erleben und deswegen nur auf die Hand Gottes im Tod vertrauen können. Die Auferstehung „am dritten Tag“ ist keine zeitliche Datierung, sondern steht dafür, dass die meisten Kulturen erst ab diesem Tag den Tod als endgültig betrachten und die Bibel an ihm auch die besondere Hilfe Gottes erwartet. Eine Auferstehung aus dem Grab jedoch wäre eine Rückkehr in die irdische Raum-Zeitlichkeit und nicht die endgültige Gemeinschaft mit Gott.
Die Deutung des Todes Jesu als Opfer ist besonders im Deutschen belastet, weil zu unterschiedliche Dinge in einen Topf geworfen werden. Das „Musikalische Opfer“ von Bach ist etwas ganz anderes als ein „Verkehrsopfer“, das dem Götzen Geschwindigkeit dargebracht wird, obwohl es dasselbe Wort ist. Die Deutung des Messopfers durch Anselm von Canterbury Ende des 11. Jahrhunderts ideologisiert die Gewalt der Todesstrafe. Das ist verhängnisvoll für den Glauben, aber diese depressive Logik konnte auch Luther nicht wirklich durchbrechen. Dort liegt die Quelle der Missverständnisse: „Hingabe“ oder ein Offert als Angebot können etwas sehr Sinnvolles und Erfüllendes sein, dürfen aber mit Gewalt und Zerstörung nichts zu tun haben, sonst wird die ganze Religion zerstörerisch.
Was das Erkennen des Auferstandenen anlangt, so ist es sehr sinnvoll, dass wir hier in unserem Gespräch unter dem Bild der Wunderbaren Speisung sitzen, womit die frühe Ikonographie die Eucharistie als Brotbrechen (und nie als Abendmahl) in den Katakomben darstellt. Das Johannesevangelium platziert diese Geschichte in der Nähe von Ostern und auf einem Berg, hat also dieselbe Qualität wie die Bergpredigt bei Matthäus und beschreibt dabei Jesus als den eigentlichen Gastgeber, der aber leibhaft nicht mehr gesehen werden kann (obwohl er in der Bildererzählung nur leibhaftig darzustellen ist). Doch das Brotbrechen ist die Weise, wie die personale Präsenz des Auferstandenen erfahren werden kann (Lk 24). Dazu kommt, dass der einzige Kronzeuge der Auferstehung im Neuen Testament Paulus ist, denn er beschreibt seine Jesuserfahrung authentisch als inneres Geschehen. Und so hat auch die Bibelrevision 2016 am Beginn des Galaterbriefes endlich richtig gestellt: „Es gefiel Gott ... seinen Sohn in mir (und nicht mehr: mir) zu offenbaren...“, womit sich Paulus in die offizielle Liste der Auferstehungszeug/inn/en einreiht (1 Kor 15,5-8), was bedeutet, dass die Ostergeschichten der Evangelien nicht historische Berichte, sondern Ikonographie sind, wörtlich „Bildschreibungen“, die Erfahrungen aus zweiter und dritter Hand verständlich machen wollen, wir aber dabei die geistige Person Jesu mit einem irdischen Körper verwechseln. Zum Glück haben schon etliche Kreuzwegbilder im Barock richtig gedeutet: „Der heilige Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt“, nicht: Jesus wird ins Grab gelegt. Auch für mich persönlich ist das Grab Jesu selbstredend „leer“ in dem Sinn, als seine Person nie dort hinein gelegt wurde.
Für Heute: Zu den Begräbnissen kommen meist mehr Menschen als in die Osterliturgie. Wenn wir ihnen bei dieser Gelegenheit die Osterbotschaft ausrichten wollen, dann sollte sie in diese Richtung gehen:
● Das Kreuz Jesu ist ein Hinweis auf die Leidensfähigkeit Gottes, ohne die keine Liebe möglich ist.
● Schon im Tod kommt uns die Hand Gottes entgegen. Das ist die Auferstehung.
● Im Grab liegt nicht meine Mutter, sondern ihre Leiche, die wir pietätvoll versorgen.
1. Bange Fragen uns oft plagen:
Werden die Moneten reichen
oder schon vor‘m Monatsend‘
sich schleichen bis zum letzten Cent?
Wird‘s überhaupt noch Arbeit geb‘n,
die uns lässt anständig leb‘n
oder werd‘n nur noch Maschinen
künftig das große Geld verdienen,
das bei wenigen versandet
und nur wenig bei uns landet?
Werd‘n am Hungertuch wir nagen
und am Leben rasch verzagen?
Refrain:
Sorgt euch nicht heut‘ schon für morgen,
jeder Tag hat genug seiner Plag!
Was bringt es, wenn wir die Sorgen
von morgen schon heut‘ woll‘n ausborgen?
Sorgt euch nicht heut‘ schon für morgen,
das Morgen hat eigene Sorgen,
die sind euch heut‘ noch verborgen,
die könnt ihr nicht jetzt schon entsorgen!
2. Werden wir gesund noch bleiben
oder nur mehr krank bald schreiben,
weil die Bandscheiben verreiben
und bereiten Höllenschmerz‘n,
die nimmer sind recht auszumerz‘n?
Wird der viele Staub und Mist,
den wir täglich atmen, essen,
geg‘n den kein Kraut gewachsen ist,
nicht manch‘ Lebensjahre fressen?
Wie viel Zeit ist uns bemessen?
Wird das Herz den Dienst aufkündigen,
bevor sie uns total entmündigen?
Refrain:
Sorgt euch nicht heut‘ schon für morgen,
jeder Tag hat genug seiner Plag!
Was bringt es, wenn wir die Sorgen
von morgen schon heut‘ woll‘n ausborgen?
Sorgt euch nicht heut‘ schon für morgen,
das Morgen hat eigene Sorgen,
die sind euch heut‘ noch verborgen,
die könnt ihr nicht jetzt schon entsorgen!
3. Sorgen sind voller Dynamik,
treiben Menschen in die Panik,
bis sich alles dreht im Kreis
und schlussendlich niemand weiß,
was Irrsinn ist und was real.
Doch g‘rad‘ in ein‘m solchen Fall,
wird der Augenblick versäumt
und das eig‘ne Feld geräumt,
wo heut‘ schon die Entscheidung fällt,
die auch noch in der Zukunft hält.
Wenn wir die Sorg‘n nicht zieh‘n lass‘n,
werd‘n wir die Gunst der Stund‘ verpass’n!
Refrain:
Sorgt euch nicht heut‘ schon für morgen,
jeder Tag hat genug seiner Plag!
Was bringt es, wenn wir die Sorgen
von morgen schon heut‘ woll‘n ausborgen?
Sorgt euch nicht heut‘ schon für morgen,
das Morgen hat eigene Sorgen,
die sind euch heut‘ noch verborgen,
die könnt ihr nicht jetzt schon entsorgen!
4. Auch können wir nicht glücklich leb‘n,
wenn wir einander nicht vergeb‘n,
wo Kränkungen uns widerfuhr‘n
und ehrlich folgten jenen Spur‘n,
wo andre durch uns Schaden litt‘n,
weil wir z‘wenig für sie stritt‘n.
Erst wenn wir um Vergebung bitt‘n,
kann so was wie Erlösung werd‘n,
für alle Menschen auf der Erd‘n.
Dann können wir gemeinsam geh‘n,
die Nöte von uns all‘n besteh‘n,
‘ner neuen Zeit entgegen seh‘n!
Refrain:
Sorgt euch nicht heut‘ schon für morgen,
jeder Tag hat genug seiner Plag!
Was bringt es, wenn wir die Sorgen
von morgen schon heut‘ woll‘n ausborgen?
Sorgt euch nicht heut‘ schon für morgen,
das Morgen hat eigene Sorgen,
die sind euch heut‘ noch verborgen,
die könnt ihr nicht jetzt schon entsorgen!
1. Ein kleines Kind hat in stockdunkler Nacht
die stille Botschaft vom Himmel gebracht,
dass Gott nicht regiert wie jene, die wohnen
in hohen Palästen mit goldenen Thronen,
ihr‘n Reichtum erpressen von armen Leuten,
die sie verachten und schamlos ausbeuten.
Er lässt sich finden von Schwachen und Kleinen,
ist nahe denen, die klagen und weinen,
entsagt jeder Stärke und Himmelshoheit
und ist zum Dienst an den Menschen bereit.
Refrain:
║: Ehre sei Gott in den Menschen auf Erden,
Frieden und Glück soll heut‘ allen werden :║
2. Zuerst erfahren es Hirten bei Nacht,
sie hatten gerade daran auch gedacht,
dass der Höchste sich zu den Seinen gesellt,
die Herrschaft von Menschen hat bloß gestellt.
Mehr als im Tempel wohnt er im Nächsten,
strahlt aus den Augen der Kleinsten und Schwächsten,
denen kein Ego den Sinn ganz verzerrt,
denen kein Zweifel die Einsicht versperrt,
dass glückliche Menschen wir erst dann werden,
wenn wir seinen Geist im Leib wirklich erden.
Refrain:
║: Ehre sei Gott in den Menschen auf Erden,
Frieden und Glück soll heut‘ allen werden :║
3. Auch wäre das Krippenkind wieder verkannt,
würd‘ allein Jesus Sohn Gottes genannt.
Jedes Kind bringt den Schöpfer erneut in die Welt,
sonst wäre es schlecht um uns alle bestellt,
trüge es nur unsre Hypotheken,
missbrauchten wir es zu eigenen Zwecken.
Weihnachten feiert der Kinder Würde,
Menschenrechte und Engelszierde,
als Wesen nicht nur aus Fleisch und aus Blut,
vielmehr als wunderbar himmlisches Gut.
Refrain:
║: Ehre sei Gott in den Menschen auf Erden,
Frieden und Glück soll heut‘ allen werden :║
Du nur Du
only you
sola tu[2]
Du nur Du
Abba anttá[3]
ständig da
das ist wahr
Abba anttá
Du in mir
ich in Dir
zusammen wir
jetzt und hier
Du nur Du
only you
sola tu
Du nur Du
Schenkt mir Ruh
wie im Nu
Du ich Du
immerzu
Ew’ger Hauch
Leben nährt
Ängsten wehrt
Liebe mehrt
║:Richtet auf
voller Huld
und Geduld
Amén[4] anttá!
Schenkt mir Ruh
wie im Nu
Du ich Du
immerzu:║
Das Kreuz ist ein uraltes Symbol in der Menschheitsgeschichte. Aber welche Glaubenserzählung wird in ihm gesehen? Der Bibelwissenschaftler Peter Trummer weiß um die Geschichte dieses Symbols in der Geschichte des Christentums wie wenige andere Bescheid, auch um die Fehldeutungen in der theologischen Interpretation. Johann Bernhard Fischer von Erlachs Trinitätsdarstellung am Mariazeller Hochaltar ist für ihn aber so außergewöhnlich, dass es auch eine ganz neue Theologie des Kreuzes vermittelt, sodass er "das Kreuz lieben lernte": Gott, der Vater, reicht seinem Sohn im Tod die Hand. Das ist der Trost, den Trummer in diesem Kurzvideo mitteilt.
60 Jahre Theologie: Das ist das Leitmotiv eines zeithistorischen Gesprächs mit Peter Trummer, über Jahrzehnte Neutestamentler an der Theologischen Fakultät Graz und Autor zahlreicher – vor allem auch verständlicher – Bücher, die sich um die Heilungs-, Wunder-, Mahl- und Ostergeschichten Jesu im Neuen Testaments drehen. KULTUM-Leiter Johannes Rauchenberger blickt in dem Gespräch mit Peter Trummer auf die großen Aufbrüche der späten 1950er und der frühen 1960er Jahre, die Trummer als junger Mensch erlebt hat und die ihn schließlich zur jahrzehntelangen Beschäftigung mit der Bibel brachten. Er hat auch weite Teile des Neuen Testaments neu übersetzt. Durch einige biografische Brüche hindurch ist Trummer, der am 23. Juni 2021 80 Jahre alt geworden ist, an der Figur Jesu immer und immer wieder hängen geblieben. Eben ist sein jügstes Buch: "Den Herzschlag Jesu erspüren. Seinen Glauben leben" herausgekommen. Es wird ein Gespräch mit einem streitbaren, mitunter umstrittenen, sturen und zugleich sanften Theologen, der mit seinen Büchern einen großen LeserInnenkreis erreicht hat. In den 60 Jahren Theologie ist beinahe kein Stein auf dem anderen geblieben. Allein der Sog der Figur Jesu ist ihm geblieben. Das ist berührend. Und all das verdient Öffentlichkeit. Gewidmet ist sein letztes Buch, wiewohl er Jesus mit einem so eindrucksvollen „Herzschlag“ beschreibt, „dem unbekannten Gott“. Auch so kann man 60 Jahre Theologie resümieren.