IM KAMPFGEBIET DER POESIE: AUSSTELLUNG UND LITERARISCHE PERFORMANCES
Die bildenden Künstlerinnen François Burland, Toni Kleinlercher, Heike Schäfer und Eric Moinat bieten mit der Ausstellung den Ausgangspunkt eines Mehrspartenprojektes des Kulturzentrums bei den Minoriten ab 24. Mai, die LiteratInnen Franz Dodel, Dieter Sperl, Daniela Seel, Christian Steinbacher, Sophie Reyer und Paul Divjak haben wir eingeladen, sich auf das „Kampfgebiet der Poesie“ einzulassen und poetisch-widerständige Texte zu schreiben; Amelie Stuart wird das Thema in ihrem Beitrag philosophisch einzuhegen versuchen.
Der Kampf, der subtil bis in die letzten Winkel des Denkens und Empfindens geführt wird, heißt Neoliberalisierung in Form von (Selbst-)Optimierung, Aufrüstung, (Selbst-)Funktionalisierung, Effizienzmaximierung. Wir leben mit anderen Worten in einer seltsam ambivalenten Welt, in der wir ich, ich zu denken und uns freiwillig und leidenschaftlich auszubeuten lernen.
Im Kampfgebiet der Poesie, als Zwei-Sparten-Projekt angelegt, wirft die Frage auf, ob sich zeitgenössische Kunst angesichts neoliberaler (Sprach-)Verwertungslogiken noch auf das Feld künstlerischer Autonomie zurückziehen kann und entwickelt/erforscht/erprobt dabei Widerstandsformen, die in ihrer poetischen Struktur und Verfasstheit herkömmliche Logiken des Kampfes unterlaufen, überschreiben, aushebeln, ins Leere laufen lassen oder positiv formuliert, das realisieren, was der Philosoph Byung Chul Han mit dem Neologismus „Abwesen“ bezeichnet.
„Mit dem Abwesen habe ich gemeint, etwas, was sich zurücknimmt, zurückweicht, abtritt. Und nach dem Abtreten und nach dem Zurückweichen entsteht nicht ein Vakuum, sondern mehr Raum, mehr Zeit, mehr Welt, weil diese Präsenz des Ich den Raum verdrängt hat und mit sich besetzt hat. Und wenn dieses Ich, wenn diese Substanz, zurückweicht in eine Abwesenheit, dann entsteht eine Weite, eine Weite der Welt, eine Weite des Raumes.“
Das Ego bleibt also unbekleidet. Es ist eine Entselbstung, die damit einhergeht, eine Entinnerlichung des Geistes in eine In-Differenz. Wir betreten die blühenden Wüsten der Poesie, ein Kampfgebiet, in dem der Anspruch auf Erkenntnis nicht ausgesprochen aber gesucht wird. „Abwesen“ ruft ästhetisch Formen der (Selbst-)Dekonstruktion und des Spiels, lässt Mittel der Permutation, der Paraphrase, des Palimpsestes, der Modifikation, der Montage, des Sampelns als ästhetisch sinnvoll erscheinen.
ERIC MOINAT
Zwischen Karin Sanders glatter Ästhetik in ihren „kitchen pieces“ und Dieter Roths Komplexität seines labyrinthisch verschlungenen Werks sind Eric Moinats Objekte gut platziert. Die geschwungenen RaketenPenisOcularisBilboquets verweigern sich einer klaren Zuordnung, sowohl in der Definition des Dinghaften als auch in der Verortung innerhalb der skulpturalen Begrifflichkeiten. Eric Moinat ist ein Meister des Weges. Seine Wege verlaufen jedoch nicht gerade dahin, sie winden sich, im wörtlichen Sinn ist es ein wundes Gehen, ein Voranschreiten, das sich nicht messen lässt. „Keiner hat einen geraden Pfeil im Köcher“ (Okwui Enzewor), Eric Moinat schon gar nicht. Es gibt kein Resultat. Das Unfertige ist sein Metier. Aus einem Ei schlüpft eine Schlange, oder ist das ein Penis Ocularis, eine krumme Möhre, hat sich der Körper der Rakete einer Bauchtanztherapie unterzogen? (Toni Kleinlercher)
TONI KLEINLERCHER
Bei Kleinlercher wandelt sich das Naturproblem zu einem wittgensteinschen Sprachproblem, das er aber gleichsam als Beobachter zweiter Ordnung in die White Box (=White Cube) des Kunstsystems importiert. Kleinlercher geht es aber nicht um Texturen, sondern um den Code, womit seine Arbeiten strukturalen Karten entsprechen. Denis Diderot hätte somit in Toni Kleinlercher einen Disputanten gefunden, der an steinigen Wegen und steilen Felswänden erprobt das Verhältnis von Natur und Kultur auf einer systemischen Ebene behandelt und Landschaft demontiert, um Kunst zu recodieren. (Thomas Feuerstein)
François BURLAND
Die Ästhetik von Revolutionsbildern und ihren vorgetragenen Schlachtrufen verbindet François Burland mit den Göttern der Gegenwart, denen im herkömmlichen Gebrauch ihre verdeckte Gewaltlogik unsichtbar bleibt. Zurückversetzt in das Medium des Linolschnitts werden die Arbeiten in plakativen Farben eingefärbt. Burlands jüngste Arbeiten sind die Fortsetzung einer scheinbaren spielerischen Auseinandersetzung mit Gewalt, die er an einer Serie von Fahrzeugen, Schiffen, Flugkörpern und Panzern verfertigt hat, die zunächst nur die Größe von Spielzeugen erreicht haben und zuletzt auch überdimensional auftreten. Spielerisch leicht tritt die Vorstellung des Schreckens auf, nah am Kriegsspielzeug der Kinder, doch die vielfältigen Andeutungen auf Kunst, Geschichte, Politik und Alltagskultur überschreiten diese weit in die reale Gefahr. (Johannes Rauchenberger)
HEIKE SCHÄFER
Heike Schäfers Bildsprache ist surreal, poetisch, frech und anmutig zugleich. Sie ist in der Zeichnung, der Holzbildhauerei und im Video zugleich bewandt. Ihr Zugang zur Natur ist unmittelbar, gleichzeitig skulptural und kunsthistorisch reflexiv überlagert. Ihre „gefälschten Künstlersignaturen“ fragen nach Wert und Wahrheit der Kunst, ihre Zeichnungen verschieben Zeitebenen ins Imaginäre und Poetische, ihre Baumskulpturen lassen die Naturzeit in der neu geschaffenen Form erst recht hervortreten. Ihre Zielscheiben für das Wettschießen vervielfacht die Künstlerin zu bezaubernden Ornamenten, sodass jene Tätigkeit an sich zwecklos wird. Aber es ist eine Zwecklosigkeit, die die Sinnlosigkeit dessen, was poetisch desavouiert wird, als besonders herausstellt. Ein Luftdruckschießen mit Luftgewehren eben.
Johannes Rauchenberger