Sommerausstellung im Spiegelgitterhaus Gleisdorf über ZEIT
"round and round she goes and where she stops nobody knows", kuratiert von zweintopf
Mit Werken von Manfred Erjautz, Richard Frankenberger, Sonja Gangl, Sarah Godthart, G.R.A.M, Detlev Hartmann, Ulrike Königshofer, Renate Krammer, Vevean Oviette, RESANITA, Irmgard Schaumberger, Werner Reiterer, Markus Wilfling, Gustav Zankl, zweintopf
In Punkten, Linien, Rastern und Räumen versuchen wir die Zeit zu schematisieren, verstehen ihr Verrinnen einmal zyklisch, dann wieder linear. Sie umspannt uns beständig, egal ob wir sie gerade wichtig nehmen oder nicht. Seit der Moderne wird sie kollektiv als endliche Ressource konsumiert und dabei immer teurer und knapper. Über viele Jahre hat der Sammler Erich Wolf Werke zum Thema Zeit zusammengetragen, eine Auswahl davon zeigt diese Schau.
Round and round she goes and where she stops nobody knows... Der Titel der Ausstellung, der als Variation auch in einer Zeichnung von Detlev Hartmann (3.1) auftaucht, wirft uns mitten hinein ins Hamsterrad des Lebens. Runde um Runde strampeln wir uns ab und dann soll es irgendwann einfach so vorbei sein? Dabei meint der Spruch eigentlich ein so genanntes „Wheel of Fortune" ", aber von Glück ist in Zusammenhang mit Zeit sehr selten die Rede, subjektiv überwiegen die negativen Empfindungen eines permanenten Mangels. Manfred Erjautz (4.1) schuf mit „Against the day" eine Uhr, die kein Gegner mehr ist. Scheinbar ganz ohne Zeit bewahrt sie mit der notwendigen Präzision und Konsequenz all die inneren Abläufe, die nötig sind. Eine Umkehrung wagt auch Markus Wilfling (1.1), bei seinem Uhrenobjekt ist es nicht der Zeiger, der stetig vorwärtsdrängt, sondern das innenliegende Zifferblatt, das seine Runden dreht. Das Hamsterrad bewegt sich also auch ohne uns.
Im individuellen Alltag funktioniert Zeit als Struktur- und Taktgeber. „Ruhe, Bewegung, Ruhe" nennt Gustav Zankl (2) seine formale Untersuchung aus geometrischen Körpern, ihm gegenüber serielle Bewegungsstudien des menschlichen Körpers der Malerin Vevean Oviette (5.1 -5.6). Viele finden einen temporären Ausweg aus der Überforderung in der Naturbetrachtung, sie zelebrieren für sich die Flüchtigkeit des Moments.
Ulrike Königshofer (6), hat die Intensität eines solch intensiven Erlebens tatsächlich dokumentiert, in Form von Wind, der nun den Ausstellungsraum durchströmt. Oft sind es diese unscheinbaren und doch einzigartigen Phänomene, die kleinen Dinge, an denen wir uns fest- und die Zeit ein stückweit anhalten können, wie bei Irmgard Schaumberger (7). Für ihre Installation „wir" hat sie Lebenslinien gesammelt und in Ton gebrannt: von Menschen und Händen, die sie auf ihrem eigenen künstlerischen Weg begleitet haben. Ganz formelhaft ergibt sich der Weg ja aus Geschwindigkeit mal Zeit. Sich auszuklinken kostet in unserer ökonomisierten Gesellschaft nicht nur Geld, sich darauf einzulassen braucht auch Beharrlichkeit - Richard Frankenbergers (8) Maltagebücher sind ein sehr persönliches Kalendarium eines täglichen Innehaltens als künstlerische Praxis.
Sie könnten an dieser Stelle getrost den Weg zum WC antreten, auch ein Ort des Innehaltens, in dem wir immerhin gut drei Lebensjahre verbringen. Oder Sie sehen sich die Dokumentation einer Kunstaktion mit „Phettberg am Klo" aus dem Jahr 1994 von G.R.A.M. (9.1) an. Hermes Phettberg hat es geschafft, zumindest in Österreich wurde er berühmt. All jene Namen, die hier als zarte Freundschaftskette von der Decke hängen, dominieren übrigens die globalen Rankings am Kunstmarkt (Top 25 living, zweintopf (10.1)). Falls es mit den eigenen 15 Minuten Berühmtheit noch nicht geklappt hat, empfehlen G.R.A.M. (9.2) vorsorglich die Verwendung einer Andy-Warhol-Maske. Aber was sind wenige Minuten im Verhältnis zur gesamten Lebenszeit eines Menschen?
Werner Reiterers (11.1) programmierter Countdown zählt seit Jahren beständig die prognostizierte Lebenszeit des Künstlers hinunter. Und dann „Fine", könnte man sagen - das Ende, wie es in alten Filmen bild- und textlich inszeniert wurde, hält Sonja Gangl (12.1, 12.2) mit ihren detaillierten Zeichnungen fest und verleiht diesen flüchtigen Einstellungen damit Dauer. Was bleibt also? Die Essenz des Schneemanns ist für Manfred Erjautz (4.2) ein minimalistischer Bausatz. Oder ist es für ihn schon zu spät? Aus den Daten von Weltuntergängen haben zweintopf (10.2) mehrere Halsketten fertigen lassen. Drei dieser angeblichen Apokalypsen haben wir immerhin schon gemeinsam hinter uns gelassen.
In der Natur ist Vergänglichkeit stets präsent, auch die Malerin Sarah Godthart (14) beschäftigte sich mit dem Werden und Vergehen als zyklischem Prozess. Mit wissenschaftlicher Akribie haben RESANITA (13) alle 18.926 Blätter eines Eichenbaumes gepresst, fotografiert und konserviert. Was normalerweise in einem Jahr zu Humus zerfällt, stapelt sich feinsäuberlich zwischen Papierseiten. Eine Konsequenz, die sich auch bei Renate Krammer (15.1 - 15.5) wiederfindet, Linie um Linie schichtet sie in den Rahmen, zu zarten Farb- und Zeitverläufen. Aber wie endet diese Linie? Indem sich das Ende mit dem Anfang verbindet? (Werner Reiterer
((11.2)) Oder ist es vielmehr angebracht, einen „spontanen Maßstab" für sich zu finden, wie Detlev Hartmann? (3.3) Sie erinnern sich an dieser Stelle hoffentlich an seine Zeichnung vom Anfang: round and round it goes ... vielleicht haben sie genug Zeit und drehen noch eine zweite Runde durch die Ausstellung!