Kuratorenführung 06 | Finissage | #IMAGEKAMPAGNE #SELBSTKRITIK | Gäste: Michael Neubacher und Helmut Hönig
FINISSAGE am Samstag, den 14. Jänner 2023 um 11 Uhr
Kurator: Johannes Rauchenberger
„Kirche bewegt nicht den Glauben.“ – „Der Glaube bewegt die Kirche.“ Das von Hans Georg Tropper fotografierte Doppelplakat des Grafikers Karl Neubacher wurde zwar für die erste Öffentlichkeitskampagne der Katholischen Kirche Steiermark nach dem II. Vatikanischen Konzil nicht genommen, es zeigt aber die durchgehende Grundmelodie dieser Plakate an: Es war eine Imagekampagne mit Selbstkritik. Als Museumsstücke aus den frühen 1970er Jahren erweisen sich die Plakate der „Katholischen Kirche der Steiermark“ – so das unverkennbare und sich von der spröden Bezeichnung „Diözese Graz-Seckau“ abhebende Absendersignal jener, die es in die Endrunde geschafft hatten – als eine Erinnerung an einen aus heutiger Sicht unglaublich zu nennenden Kirchenfrühling. Botschaften und die Entschiedenheit der Predigt Jesu wurden bildlich zugespitzt : „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich“.
Oder: „fasten“. Aufgeblasene Luftballons, ein berühmter Marken-Gürtel von damals, der Schriftzug. Die semantische bzw. semiotische Verknüpfung suggeriert eher ein Platzen, weniger eine Schlankheitskur. Oder ein Anschnallen („fasten your seatbelts“) im Falle des leichten Entschwebens. Im Rückblick gesehen ist diese Form der Kampagne, die „auftraggebende Institution mit ihrer eigenen Botschaft zu kritisieren, vermutlich weltweit einzigartig“ (Harald Baloch). Schließlich stand die Frage im Raum: „Wer hat aus ihm eine Konservendose gemacht?“ Statt des Corpus war eben die Konserve angenagelt. Dieses Plakat wurde 1200 mal reproduziert und auf Initiative des damaligen Hochschulseelsorgers Heinrich Schnuderl im Studienjahr 1972/73 an die Studierenden der Katholischen Hochschulgemeinde in Leoben verteilt: Es war wahrlich ein Diskursöffner ...
Mit dem Schwerpunkt der Neubacher-Plakate fand am Samstag, den 14. Jänner die letzte Kuratorenführung statt. Gäste bei Johannes Rauchenberger waren Michael Neubacher, der Sohn von Karl Neubacher und Helmut Hönig, der die Verbindung zu Karl Neubacher 1971 eingefädelt hat.