Antennen für den Himmel, ein Wasser im Becken des Künstlers: Eine frühe Arbeit von Zlatko Kopljar (1995!) steht im Reffettorio - in der Abteilung über "bodies & souls"
Foto: N. Pollauf
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Am Freitag, 26. September, 17 Uhr eröffnen wir mit Bischof Hermann Glettler (Innsbruck) unsere Jubiläumsschau "GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart" im Parallelprogramm des steirischen herbst 25. Ich lade Sie/Dich dazu noch einmal sehr herzlich ein! Auch zur Kurzführung mit den anwesenden Künstler*innen am Samstag, den 27. September (im Rahmen des herbst-Rundganges) um 10 Uhr.
Werke von Iris Christine Aue, Fritz Bergler, Anna & Bernhard Blume, Julia Bornefeld, Guillaume Bruère, Danica Dakić, Madeleine Dietz, Michael Endlicher, Manfred Erjautz, Lorenz Estermann, Richard Frankenberger, Heribert Friedl, Hermann Glettler, Reinhild Gerum, Dorothee Golz, G.R.A.M., Alfred Graf, Peggy und Thomas Henke, Bertram Hasenauer, Werner Hofmeister, Jochen Höller, Lena Knilli, Zenita Komad, Nina Kovacheva, Zlatko Kopljar, Isabella Kohlhuber, Julia Krahn, Paul Albert Leitner, Erwin Lackner, Gerhard Lojen, Muntean/Rosenblum, Marianne Maderna, Alois Neuhold, ninavale, Adrian Paci, Hannes Priesch, Werner Reiterer, Bettina Rheims / Serge Bramly, Keiko Sadakane, Luis Sammer, Wilhelm Scheruebl, Anneliese Schrenk, Claudia Schink, Ruth Schnell, Nina Schuiki, Petra Sterry, Michael Triegel, Norbert Trummer, Lidwien van de Ven, Mark Wallinger, Markus Wilfling, Eduard Winklhofer, Maaria Wirkkala, Daphna Weinstein, Nives Widauer, Daniel A. Zaman, Johanes Zechner, Judith Zillich, Leo Zogmayer, zweintopf, 0512 beleuchten verschiedene Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart.
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Zlatko Kopljar, Vinculum I+II, 1995, Beine einer Schaufensterpuppe, Hose, Schuhe, Perlen, Baumwolle, blaue Flüssigkeit, rundes schwarzes Glas | Text der Apokalypse in Blindenschrift, Kristalldorn dahinter: Anna & Bernhard Johannes Blume: Prinzip Grausamkeit, 2004, 70-tlg. Serie, Polaroids und Texte nach Clemens Rosset, Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto: N. Pollauf
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Die Schau ist in zehn thematische Abteilungen gegliedert: heritage | Erbe (01), bodies & souls | Körper & Geist(er) (02), faith & knowedge | Glaube & Wissen (03), final things | Letzte Dinge (04), sacred spaces | Heilige Räume (05), icons | Heilige Bilder (06), fundamentalism | Fundamenalismus (07), God's codes & witnesses | Zeichen & Zeuginnen (08), Christian codes (09), Wunder & Widersprüche (10)
50 Jahre KULTUM – das ist für mich ein Anlass, in Zeiten, wo bisherige Gewissheiten vollkommen zu zerbröseln scheinen, ein öffentliches Statement zu setzen: Mit mehr als 150 Ausstellungen hat das KULTUM in den letzten 25 Jahren unter meiner künstlerischen Leitung konsequent einen Fokus verfolgt, der der Frage nachgeht, wie Religion in der Kunst der Gegenwart vorkommt. Allein die Behauptung, ich weiß, ist sehr prekär: Wurde doch die Existenz Gottes selbst spätestens seit Friedrich Nietzsche bestritten. (In der Ausstellung ist Gott von seinem Arbeitsplatz auch mal fünf Minuten weg, während das Nokia-Handy immer wieder läutet, dahinter liest selbst der Heilige Papst Johannes Paul II. Nietzsche... In anderen Beiträgen ist er aber auch schlicht da, als ein "Wir", Wittgensteins berühmter Satz 7 wird alphabetisch gereiht und es kommt ein Stammeln heraus...) Seither gibt es Bilder der Bestreitung, der Ironie, der Blasphemie.
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Aber es gibt auch solche völlig neuer Interpretationen von überkommen geglaubten Ikonografien – hier vor allem in zentralen Codierungen des Christentums, wie Kreuz, Madonna und Abendmahl.
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Bettina Rheims/Serge Bramly La maison de Nazareth, avril 1997, Ville Evrard, 1997 aus der Serie: "Bettina Rheims/Serges Bramly: I.N.R.I." KULTUMUSEUM Graz, aus: VULGATA. 77 zeitgenössische Zugriffe auf de Bibel (2019)
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Hermann Glettler, crossfit, 2015/25, Sargkreuze, verschweißt, GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto: J. Rauchenberger
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Und es gibt das bleibende, existenzielle Thema von Anfang und Ende, von Körper und Seele, von zu bestreitender Endlichkeit und einer Sehnsucht nach Transzendenz.
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Maaria Wirkkala Beyond this Point, 2020, Glasleiter, Stahl, Tennenrot-Sand, Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto:A. Babahmetovic
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Und es gibt sogar, was keiner mehr sagt, das "Jüngste Gericht" in dieser Schau. Eine ganze Armee steht dafür parat, während Kinder auf einem alten Baum sitzen und die Sonne spiegeln. Für sie gilt das NUNC PRO TUNC von 1 Kor 13,12: "Jetzt aber sehen wir wie durch einen Spiegel dunkle Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht."
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Alois Neuhold, Abfall-Seelen einer Achtloswelt – Lautloser Aufstand farblichtgeballt – Eine Anblick-Armee, „Jüngstes Gericht“... 2020-2024 49 tlg., Abfallmaterial, Karton, Acryl, Courtesy des Künstlers Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto: J. Rauchenberger
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ADRIAN PACI Per Speculum (Filmstill I), 2006 KULTUMUSEUM Graz, aus: Vertraut und fremd. VULGATA. 77 zeitgenössische Zugriffe auf die Bibel (2019)
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Und es gibt die Frage nach dem Ort Gottes und seinen Räumen. Barocke Kirchengrundrisse und Unterwäsche werden etwa an einer Wand verschmolzen. Eine Madonna, die vor 500 Jahren vor den Türken von den Engeln gerettet wurde und nach Rom gebracht wurde, wird via Skype wieder zurückgebracht nach Albanien... Menschen werden im vollen Berliner Dom fotografiert - aber diese beten nicht, sondern warten auf ein Konzert...
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Lena Knilli, Kirchengrundriss und Becken, 2010–2012 (Serie), Transparentpapier auf Karton, Klebestreifen, 59,5 x 43 cm, KULTUMUSEUM Graz, aus: Seelenwäsche (2013), Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto: J. Rauchenberger
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Und es gibt die Frage nach den "heiligen Bildern", also den "Ikonen". Sie werden zum Ort der Sehnsucht nach einer anderen Welt. Oder sie sind auch nach 35 Jahren noch lebendig und fließen aus... Oder sie werden selbständig und entlaufen im Bild...
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Heribert Friedl, 100 POEMS, 2021–2024, Acryl auf MDF-Platten, unterschiedliche Größen, Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto: J. Rauchenberger
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Wilhelm Scherübl, Steinbild (Vera Icon) Tropfen, 1987–89, Triptychon, Leinöl auf Jute, KULTUMUSEUM Graz, aus: Wilhlelm Scherübl: GEHEN & VERGEHEN (2023)
Foto: Andrew Phelps
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Judith Zillich, Ikonen, 2021–22, Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto: J. Rauchenberger
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Und schließlich wurde das Thema Religion wieder erschreckend aktuell durch aufkommendem Fundamentalismus und das Aufdecken von sexuellem und geistlichem Missbrauch. Und nun erleben wir eine erneute, einseitige Inanspruchnahme von Religion durch das Erstarken der religiösen Rechte.
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Ein "Propellerkreuz" am Dachboden-Stiegenaufgang: Es beginnt sich zu drehen, wenn man den Raum betritt: Werner Reiterer, Wer Wind sät…, 2014, Holz, Metall, Motor, diverse Elektronik, Neon, Farbe, 170 (variabel) x 153 x 270 cm, Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto: J. Rauchenberger
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Hannes Priesch, Fahnen, 2015 – Rot-Weiß-Rot, – Fahnenspruch, – Opferseelen, – In diesem Zeichen siege!, – For God and Country / Für Gott und Vaterland Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
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All das hat unsere Ausstellungsarbeit begleitet; damit verbunden sind viele Ausstellungsgeschichten, Energien von Künstlerinnen und Künstlern, die mit der ganzen Gravidität ihres künstlerischen Ansatzes verschiedenste Aspekte meiner "kuratorischen Frage" weiterverfolgt haben. All das zu bündeln, zu zeigen hat das KULTUM als Haus für "Gegenwart, Kunst und Religion" möglich gemacht. In dieser Konsequenz ist es in der Tat einzigartig in Europa, das wird mir durch verschiedenste Rückmeldungen immer klarer.
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Anna & Bernhard Johannes Blume Aus: Prinzip Grausamkeit, 2004, 70-tlg. Serie, Polaroids und Texte nach Clemens Rosset, gerahmt, je 73 x 53 cm, KULTUMUSEUM Graz, aus: Anna & Bernhard Johannes Blume: Der Gedanke des Todes ist unannehmbar (2004) und IRREALIGIOUS! Parallelwelt Religion in der Kunst (2011)
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Durch ein "Museum" wie es das unsere ist, wurde eine "Musealisierung" möglich, nicht im Sinne von Abstellen, sondern als Bekenntnis einer Institution im Kontext der Kirche, die mit öffentlichen Mitteln co-finanziert wird und dabei nicht nur ein Interesse an Kunst der Gegenwart hat, sondern diese auch sammelt und mit diesen Werken etwas Neues baut: "Wie könnte ein Museum für Gegenwartskunst und Religion aussehen, eines, das sich nicht der Bestandssicherung verpflichtet weiß, sondern eines, das sich mit Bildern der Religion reibt, sie neu interpretiert, ja diese vielleicht sogar verändert?" So fragte ich in der Ausstellung "RELIQTE" im Jahr 2010. Damals war die Frage ein Irrealis. Sie mündete in ein Buchmuseum ("GOTT HAT KEIN MUSEUM. Religion in der Kunst des beginnenden XXI. Jahrhunderts"), das 2015 erschien und trotz seiner drei Bände und 1200 Seiten längst vergriffen ist.
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Dachboden des Minoritenklosters, mit Gemälden des französischen Künstlers Guillaume Bruère KULTUMUSEUM Graz, Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto: N. Pollauf
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Nun, zum 50. Geburtstag des KULTUM, wird dieses Museum real. Das bedeutete freilich ein Bohren durch viele, viele dicke Bretter, einige sind noch von den Jahrhunderten buchstäblich verstaubt: Ingesamt 13 Baucontainer voller Staub (!) haben wir etwa im vergangenen Juli vom historischen Dachboden entsorgt; ein kleines Stück davon haben wir als Ausstellungsraum richten können – dieser Raum wird der atemberaubendste dieser großen Schau, die sich auch auf den zweiten und ersten Stock verteilt, deren Zellen und Gänge im vergangenen Winter (2024/25) und im vergangenen Sommer (2024) zu Ausstellungsflächen gerichtet wurden.
Mein Dank gilt dem "Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst in München e.V", das ein Projekt wie "GOTT HAT KEIN MUSEUM" überhaupt erst ermöglicht hat - wie damals, so auch heute –, der Diözese Graz-Seckau, der Kunstsektion im Kunstministerium, der Kulturabteilung des Landes Steiermark und dem Kulturamt der Stadt Graz und einigen Schenkerinnen und Schenkern. Vor allem aber den Künstlerinnen und Künstlern, die dem Projekt eines "Museums für Gegenwart, Kunst und Religion" geglaubt haben. Auch dem steirischen herbst, der über all die Jahre immer wieder als Kooperationspartner mitgewirkt hat. Und nicht zuletzt dem Architektenkollektiv CIRCA, welches mir immer wieder mit großem Engagement Mut und Ideen für das Dachbodenprojekt gegeben hat.
Noch einmal: Es würde mich sehr freuen, Sie/Dich bei der Eröffnung am 26. September (17 Uhr) begrüßen zu dürfen! Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag und eine gute Woche!
Herzlich, Johannes Rauchenberger
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Blick in die Abteilung: "Christian Codes": Manfred Erjautz, "Your Own Personal Jesus", 2012–16; Hermann Glettler: "Crossfit" (2015/25); Bettina Rheims/Serge Bramly: "Das Haus von Nazareth" (1998); Ausstellungsansicht: GOTT HAT KEIN MUSEUM. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart (2025)
Foto: J. Rauchenberger
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PS: Bereits um 16.45 Uhr gibt es eine besondere Performance von Manfred Erjautz, die sich in den Türmen der Mariahilferkirche ereignen wird. Spitzen Sie die Ohren und rufen Sie NICHT bei der Feuerwehr an: Der Titel lautet: SCHALL UND RAUCH...
Es ist ein subtiler Kommentar zur Eröffnung dieser Sammlung und er bezieht sich auf Goethes Faust, wo Faust in der Studierzimmerszene sagt: "Was man nicht versteht, besitzt man nicht. Nur was der Augenblick erschafft, das ist sein! Was man gelehrt besitzt, ist tot, und nur der Schall und Rauch, der es bedeutet".
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Entwurfsfoto von Manfred Erjautz: "SCHALL & RAUCH", Eröffnungsperformance zur Eröffnung von "GOTT HAT KEIN MUSEUM", Mariahilferplatz 3: FR, 26. September 16.45 Uhr. Die Glocken spielen "Your own personal Jesus"...
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Faust erscheint dann auch im zweiten Werk der Ausstellung - nach der Stufe von Maaria Wirkkala – in einem der neuesten Buchstabenbilder von Michael Endlicher wieder: HABE NUN ACH...
(„Philosophie, Juristerei und Medizin/ Und leider auch Theologie / Durchaus studiert, mit heißem Bemühn / Da steh ich nun, ich armer Tor!“)
Wissen und Studieren, Bemühen und Eifern, Sehen und Erkennen, Überprüfen und Kritisieren, Bekennen, ja sogar Beten – am Ende steht eine docta ignorantia: Mehr will diese Schau nicht behaupten.
Weniger aber auch nicht! Welcome.
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Das "Sonntagsblatt für Steiermark" bringt zur Ausstellung eine 8-seitige Sonderbeilage am heutigen Sonntag heraus: Lesen Sie hier den Überblick (pdf-Download)
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Auf "Radio Helsinki" war ich vorgestern eine Stunde lang bei Martin Dopler zu Gast: Eine Stunde lang konnten wir über die Ausstellung sprechen. Hören Sie hier Sendung nach >>
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